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Being

Titel: Being Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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nicht.«
    »Was
wissen
Sie denn?«
    »Worüber?«
    »Über alles. Was ist im Krankenhaus passiert?«
    Er überlegte einen Moment und ließ seine Hände auf dem Lenkrad liegen. Seine Finger waren lang und schmal.
    »Ich weiß nur sehr wenig«, sagte er leise. »Am Morgen war ich in der Chirurgie. Eine Bypass-Operation an einer Herzkranz-Arterie.« Er zog an seiner Zigarette und atmete langsam aus. »Dann |57| erhielt ich eine Nachricht von Professor Casings Sekretärin über den Piepser –«
    »Wer ist Casing? Was macht er?«
    »Er ist Chefarzt für Chirurgie und Gastroenterologe. Die Nachricht lautete, ich solle umgehend in sein Büro kommen.«
    »Und?«
    »Ich bin hin.«
    »Was wollte Casing?«
    »Es gebe einen ungewöhnlichen Fall, einen Notfall. Mehr sagte er nicht. Er brauchte einen Anästhesisten.«
    »Warum Sie?«
    »Ich bin ein guter Anästhesist.« Er zuckte die Schultern. »Sonst war niemand greifbar.«
    »Was ist mit Ryan und den andern? Morris und Hayes, Cooper …? Wie sind die da hingekommen? Wer hat sie gerufen?«
    »Ich weiß nichts über sie. Als Casing mich runter in den OP im Keller führte, meinte er, es gebe Sicherheitsauflagen. Sonst nichts. Ich hab keine Ahnung, wer diese Leute waren. Sie haben kein Wort zu mir gesagt. Keine Ahnung, wo sie herkamen.«
    »Was ist mit Casing? Wusste er, wer sie waren?«
    »Das nehm ich an, ja.«
    Ich schaute durch die Windschutzscheibe hinaus. Ein kleiner, schmächtiger Mann in einem Parka mit hochgezogener Kapuze ging vor uns auf der Grasumrandung mit seinem Hund spazieren. Der Hund war schwarz und sprang durch den Regen.
    »Sehen Sie mich an«, sagte ich zu Kamal.
    Er drehte sich um und sah mir mit vorsichtigem Blick in die Augen. Sein Gesicht war alterslos. Unschuldig und weise wie das Gesicht eines Königsknaben in einer ledergebundenen Märchenausgabe. |58| Ich konnte mich natürlich täuschen. Vielleicht sah ich etwas, das gar nicht da war. Doch ich glaube nicht. Es gab etwas Besonderes in diesem Gesicht, da war ich mir sicher. Etwas lag in seinen Augen. Etwas, das nicht an einem nassen Novemberabend in einen weißen Fiesta auf einem Supermarktparkplatz gehörte.
    Ich rieb mir die Augen. Etwas Trockenes blieb an den Fingerspitzen hängen. Ich betrachtete es – gelb, braun. Augenschleim. Ich streckte Kamal meine Hand hin.
    »Schauen Sie«, sagte ich.
    Er starrte auf den verkrusteten gelben Fleck auf meinem Finger.
    »Ich habe Zeugs in den Augen«, erklärte ich ihm. »Ich bin genau wie jeder andere.« Ich wischte den Finger am Sitzpolster ab. »Ich bin genau wie Sie, Kamal. Ich bin kein Monster.«
    Die Uhr im Armaturenbrett tickte schwächlich, als ob ihr die Arbeit schwerfiele. Kamal antwortete nichts.
    Was hätte er auch antworten sollen?
    »Ich war bei Bewusstsein«, erklärte ich ihm. »Als Casing in mich hineinschnitt, war ich bei Bewusstsein. Ich hab es gespürt. Den Schmerz. Es tat weh. Es tut immer noch weh.«
    Kamal sah mich an. »Das tut mir leid.«
    Ich starrte durchs Seitenfenster. Eine blonde Frau ging vorbei und schob einen vollgepackten Einkaufswagen vor sich her. Zwei kleine Kinder folgten ihr und hopsten und trampelten in Pfützen. Die Frau warf ihren Pferdeschwanz von einer Seite zur andern und redete mit den Kindern, ohne zu wissen, was sie sagte. Ich beobachtete sie, wie sie den Einkauf hinten in einem Allrad-Geländewagen verstaute. Eine, zwei, drei, vier Tüten. Sie lud die Kinder ins Auto, ließ den Einkaufswagen einfach stehen und fuhr los.
    Kamal sagte: »Du wurdest betäubt.«
    |59| »Ich weiß.«
    »Du hättest überhaupt nicht aufwachen dürfen. Das ist unmöglich.«
    »Ich weiß.«
    »Du wurdest betäubt.«
    »Ich
weiß

    Was sollte ich anderes sagen? Er hatte ja recht. Es war unmöglich.
    »Ich brauch ein bisschen Geld«, sagte ich.
    Er zog eine Brieftasche hervor und reichte mir ein paar Fünf-Pfund-Scheine. »Mehr hab ich nicht.«
    Ich steckte das Geld ein. »Geben Sie mir Ihre Brieftasche.«
    Er zögerte kurz, dann gab er sie mir. Ich schaute hinein. Führerschein, Kreditkarten, Scheckkarte, Krankenhausausweis. Ich warf einen Blick auf die Scheckkarte. Da stand sein voller Name: MR KAMAL RAMACHANDRAN.
    »Wie ist die Geheimzahl?«, fragte ich.
    Er hätte mich anlügen können, aber ich wusste, er würde es nicht tun. Ich hatte eine Pistole in der Hand. Ich war unberechenbar. Ich war fremd und ein Monster. Er würde mich nicht anlügen.
    »Vier fünf eins vier«, sagte er.
    »Abhebungslimit?«
    »250 Pfund.«
    »Danke.«

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