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Being

Titel: Being Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Glastüren … und nur für einen kurzen Moment war ich wieder ich.
    Ich war Robert Smith.
    Ein Junge mit einem kranken Magen.
    Ich sah mich am Morgen, wie ich auf den Eingang zuging – meine Terminkarte fest in der Hand – und einen gelangweilten Blick auf mein Spiegelbild in den Glastüren warf … ein vom Regen gesprenkeltes Gesicht, blass und nach vorn geneigt … dunkle |53| Haare, dunkle Augen … ein ziemlich groß gewachsener Junge mit Jacke.
    Ich wollte die Scheibe herunterkurbeln und der Erinnerung an mich entgegenschreien:
Geh da nicht rein! Dreh um und geh nach Hause! Um Himmels willen, geh da nicht rein!
    Aber ich tat es nicht.
    Vermutlich hätte ich sowieso nicht auf mich gehört.
    Wir fuhren weiter.
    Es gab keine Schranken oder Tore, nur eine dunkle Straße, die sich durch das Krankenhausgelände wand. Am Ende der Straße bremste Kamal ab und hielt an der Krankenhausausfahrt. Der Motor lief im Leerlauf, die Scheibenwischer klackten, der Regen klopfte behaglich aufs Dach.
    »Wohin?«, fragte mich Kamal.
    Ich sah auf die Uhr im Armaturenbrett. Es war halb sieben.
    Wohin?

    Ich wollte nach Hause. Es gab nichts, was ich mehr wollte. Ich wollte nach Hause zu Bridget und Pete. Aber ich wusste, ich konnte nicht. Was immer mit mir geschah, ich musste davon ausgehen, dass das Ganze kein Versehen war. Ich musste davon ausgehen, dass Ryan und die andern ein Teil von irgendwas Großem waren. Von einer Art Behörde. Groß, organisiert, mächtig, offiziell und gut vernetzt. Staatsgewalt in irgendeiner Form. Geheimdienst. Regierung. Polizei. Was sollten sie sonst sein mit ihren Waffen, ihren Geheimnissen und ihren Anzügen? Sie mussten Teil von irgendwas sein. Bald würden sie überall auftauchen. Nach mir suchen. Sie wür-den auf jeden Fall nach mir suchen. Vielleicht noch nicht jetzt. Aber bald. Dann würden sie überall |54| sein. Überall, wo ich je gewesen war, und überall, wo ich mich möglicherweise hinwenden könnte. Sie würden Ausschau halten und warten.
    Nach Hause konnte ich nicht.

    »Wissen Sie, wo Sainsbury’s ist?«
    Er warf mir einen verdutzten Blick zu. »Sainsbury’s? Der Supermarkt?«
    Ich nickte.
    »Klar«, sagte er, »ich weiß, wo der ist. Warum fragst du?«
    »Da will ich hin.«

|55| Fünf
    E s regnete noch immer, als wir den Supermarkt erreichten. In der Nähe der Einfahrt war ein Lastwagen liegen geblieben und behinderte den Verkehr. Während wir zum Parkplatz krochen, starrte ich auf die vom Regen verschwommenen Gesichter und Gestalten in den Autos um uns herum. Ich sah Köpfe und Hände, nervös trommelnde Finger, ungeduldige Blicke. Ich sah Männer, Frauen und Kinder in den Autos sitzen, die nirgendwohin unterwegs waren, sondern nur einkaufen fuhren.
    Alles war ganz normal.
    Bloß dass das Ganze anscheinend nichts mehr mit mir zu tun hatte.
    Um mich abzulenken, untersuchte ich die Taschen von Ryans Jacke. Viel war nicht drin: zwei Schlüssel, ein Taschenmesser, eine schmale Brieftasche aus Leder. In der Brieftasche steckten zwei Kreditkarten – American Express und Visa –, ein bisschen Bargeld, ein Ausweis und eine Handvoll Visitenkarten. Das Foto auf dem Ausweis zeigte einen Ryan, der mit ausdruckslosem Gesicht in die Kamera starrte. Seine Augen wirkten kalt und intelligent. Er trug ein weißes Hemd, schwarze Krawatte und schwarzes Jackett. Seine Haare waren über den hohen Schädel nach hinten gegelt, |56| das harte Fotolicht ließ seine Haut wie tot wirken.
    Ich hielt den Ausweis in der Hand und starrte Ryan an: einen Mann, der eins mit seinen Dämonen war.
    Die einzige Information, die auf dem Ausweis gedruckt stand, war sein Name –
David Ryan
– und eine Nummer –
1191212
.
    Die Visitenkarten gaben auch nicht mehr her. Nur wieder den Namen –
David Ryan
– und darunter, in kleiner schwarzer Schrift, eine Telefonnummer.
    Ich steckte Karten und Ausweis zurück in die Brieftasche und zählte das Bargeld. Drei Zwanziger und ein Fünfer.
    »Wo soll ich stehen bleiben?«, fragte Kamal.
    Ich schaute auf. Wir fuhren jetzt auf den Parkplatz. »Da drüben«, sagte ich und deutete auf eine Reihe leerer Plätze neben den Recycling-Containern.
    Er parkte ein, schaltete den Motor aus und eine Weile saßen wir schweigend da. Kamal zündete sich eine Zigarette an. Ich kurbelte das Fenster herunter. Das Regenrauschen fernen Verkehrs brauste leise in der Luft. Ich roch Auspuffgase, frisches Brot, Recycling-Abfall.
    »Wer ist Ryan?«, fragte ich Kamal.
    Er sah mich nicht an. »Weiß ich

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