Beiß mich, wenn du dich traust
Pflock am Bein, entschuldigt das Wortspiel, aber dann habe ich gemerkt, dass er einfach nur missverstanden wurde. So ähnlich wie ich. Außerdem hat er mir das Leben gerettet. Der böse Vampir, den eigent-lich ich töten sollte, hatte es nämlich geschafft, mir ein tödliches Blutvirus zu verpassen (ja, neuerdings sind Gott und die Welt darauf aus, mich zu vergiften), und es ging ziemlich schnell ziemlich bergab mit mir. Jareth hat mich dann gebissen, um mir das Leben zu retten. Die gute Nachricht? Ich bin endlich ein Vampir, was ich immer sein wollte. Die schlechte? Wegen dieses Blutvirus bin ich machtlos wie ein Lämmchen.
Seufz. Zumindest habe ich einen Vorteil, den andere Vampire nicht haben - ich kann hinaus in die Sonne gehen. Was mir echt hilft, wenn ich als Jägerin unterwegs bin, zum Beispiel, um unsere Stadt vor Werwolf-Cheerleadern zu retten ...
Aber vergesst die Cheerleader. Wir haben jetzt echt andere Probleme. Wie zum Beispiel die Mitteilung unserer getrennt lebenden Eltern, dass sie in Wirklichkeit gar keine Exhippies sind, die aus einer Kommune geflohen sind, um ein yuppie-mäßigeres Leben zu führen, sondern Elfen, die von einer mystischen irischen Insel entkommen sind, um ein ... sterblicheres Leben führen zu können. Und jetzt haben uns anschei-nend die anderen Elfen von dieser Insel aufge-spürt und wollen, dass wir zu ihnen zurück-kehren.
Mit so etwas haben wir wirklich nicht gerechnet.
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Es ist Freitagabend, Las Vegas, Nevada, und Sunny und ich fühlen uns echt verdammt groß-
artig. Schließlich haben wir gerade gemeinsam den Blutzirkel gerettet (mal wieder) und sind zu Heldinnen der freien Vampirwelt erklärt worden.
Mit anderen Worten, das Leben ist schön.
Okay, streng genommen hat Sunny den größten Teil der eigentlichen Rettungsaktion durchge-zogen. Ich war, äh, nun ja, abgelenkt. (Diese Spielautomaten spielen sich schließlich nicht von alleine!) Aber hey, immerhin bin ich im letzten kritischen Moment aufgetaucht und habe die böse Vampirfrau gerade noch rechtzeitig getötet. Das ist doch auch etwas, oder?
Wie dem auch sei, das Böse ist bezwungen, Magnus und Sunny sind wieder vereint und die Hölle ist zugefroren (will sagen, meine Mutter und mein Vater befinden sich im selben Zimmer und sprechen tatsächlich wie zivilisierte Erwachsene miteinander). Wir sind wieder in der Luxuswohnung von unserem Dad und unserer Stiefmutter Heather, nachdem wir uns diese Vegas-Dracula-Revue angesehen haben, in der Sunny eine Hauptrolle spielt. (Sie hat ihre Sache echt gut gemacht, das muss ich zugeben, obwohl die Dialoge mehr als peinlich waren.) Hier sitzen wir also, hängen in dem modern durchgestylten Wohnzimmer ab, nippen an Bechern mit dampfendem grünen Tee und gehen davon aus, dass wir uns bald ins Bett hauen und morgen nach Massachusetts zurückfliegen werden, Las-Vegas-Abenteuer beendet und abgehakt.
Wir könnten uns nicht gründlicher irren.
»Also, ihr zwei«, sagt Mom und lässt sich in einem kleinen weißen Ledersessel nieder. Es muss ihrem vegetarischen Hintern wehtun, auf einem toten, gehäuteten Tier zu sitzen, aber sie ist zu höflich, um Heather wegen ihrer barbarischen Gepflogenheiten zur Rede zu stellen. »Ihr seid wahrscheinlich überrascht, mich hier in Vegas zu sehen.«
»Ja, schon«, sage ich. Untertreibung des Jahres.
»Was ist denn los? Hast du uns so sehr vermisst?
Ich meine, wirklich, Mom, wir waren doch nur ein paar Tage weg. Aber ich weiß ja, wie sehr du an deinen Töchtern hängst.« Ich lege eine Kunst-pause ein und füge hinzu: »Im Gegensatz zu manch anderen Verwandten«, wobei ich Dad einen bösen Blick zuwerfe. Er windet sich in seinem Sessel und fühlt sich ganz offensichtlich unbehaglich, was auch der Sinn meines Blicks gewesen ist. Jeder Kerl, der dazu fähig ist, seine Töchter jahrelang im Stich zu lassen, sollte sich von Rechts wegen ein bisschen mies fühlen.
Mom schüttelt den Kopf, als wollte sie ihn verteidigen, aber sie weiß so gut wie ich, dass der Kerl in nächster Zeit nicht gerade zum Dad des Jahres gewählt werden wird. »Ich wünschte, das wäre der einzige Grund, Rayne.«
Ihr blasses Gesicht beunruhigt mich plötzlich.
Unmittelbar vor unserem Abflug nach Vegas hat mein Betreuer von Slayer Inc., alias Moms Lover David, mir erklärt, dass seine Firma Nachricht von einer neuen Bedrohung erhalten habe, die sich der Stadt nähere. Einer Bedrohung, die sich gegen unsere Mutter richten könnte.
»In deiner Mutter steckt mehr, als du
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