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Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul

Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul

Titel: Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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Namenskomposition ihrem in ziemlicher Ferne haltenden alten Leibkutscher wie morgendlichen Hahnenschrei zu Gehör brachte, so daß er nicht säumte, mit seiner altmodischen, aber wohlgewaschenen Kalesche und den feisten Falben davor heranzurücken.
       Mancher willkommene Batzen, silbern nicht selten, glitt für solche der Sozietät geleisteten Dienste in meine Hand. Aber höher galt meinem Herzen zarterer, versichernderer Lohn, der mir dafür zuteil wurde: ein aufgefangenes Zeichen des Stutzens und aufmerksamer Gewogenheit von Seiten der Welt, ein Blick, der mich mit angenehmer Verwunderung maß, ein Lächeln, mit Überraschung und Neugier auf meiner Person verweilend; und so sorgfältig zeichnete ich in meinem Innern diese stillen Erfolge auf, daß ich noch heute fast über alle, ja unbedingt über alle bedeutenderen und innigeren Rechenschaft abzulegen vermöchte.
    Welch eine wundersame Bewandtnis hat es, eindringlich betrachtet, mit dem menschlichen Auge, diesem Juwel aller organischen Bildung, wenn es sich einstellt, um seinen feuchten Glanz auf einer anderen menschlichen Erscheinung zu versammeln; – mit diesem kostbaren Gallert, der aus ebenso gemeiner Materie besteht wie alle Schöpfung und auf ähnliche Art wie die Edelsteine anschaulich macht, daß an den Stoffen nichts, an ihrer geistreichen und glücklichen Verbindung aber alles gelegen ist; – mit diesem in eine Knochenhöhle gebetteten Schleim, welcher, entseelt, dereinst im Grabe zu modern, in wässerigen Kot wieder zu zerfließen bestimmt ist, aber, solange der Funke des Lebens darin wacht, über alle Klüfte der Fremdheit hinweg, die zwischen Mensch und Mensch gelagert sein können, so schöne, ätherische Brücken zu schlagen versteht!
    Von zarten und schwebenden Dingen heißt es zart und schwebend reden, und so werde eine zusätzliche Betrachtung hier behutsam eingerückt. Nur an den beiden Polen menschlicher Verbindung, dort, wo es noch keine oder keine Worte mehr gibt, im Blick und in der Umarmung, ist eigentlich das Glück zu finden, denn nur dort ist Unbedingtheit, Freiheit, Geheimnis und tiefe Rücksichtslosigkeit. Alles, was an Verkehr und Austausch dazwischenliegt, ist flau und lau, ist durch Förmlichkeit und bürgerliche Übereinkunft bestimmt, bedingt und beschränkt. Hier herrscht das Wort, – dies matte und kühle Mittel, dies erste Erzeugnis zahmer, mäßiger Gesittung, so wesensfremd der heißen und stummen
Sphäre der Natur, daß man sagen könnte, jedes Wort sei an und für sich und als solches bereits eine Phrase. Das sage ich, der, begriffen in dem Bildungswerk meiner Lebensbeschreibung, einem belletristischen Ausdruck gewiß die erdenklichste Sorgfalt zuwendet. Und doch ist mein Element die wörtliche Mitteilung nicht; mein wahrstes Interesse ist nicht bei ihr. Dieses vielmehr gilt den äußersten, schweigsamen Regionen menschlicher Beziehung; jener zuerst, wo Fremdheit und bürgerliche Bezuglosigkeit noch einen freien Urstand aufrechterhalten und die Blicke unverantwortlich, in traumhafter Unkeuschheit sich vermählen; dann aber der anderen, wo die möglichste Vereinigung, Vertraulichkeit und Vermischung jenen wortlosen Urzustand auf das vollkommenste wiederherstellt.

    Fünftes Kapitel

    A llein ich gewahre in des Lesers Miene die Sorge, daß
         ich über so vielfältigem Anteil der heiklen Frage meines militärischen Verhältnisses leichtsinnigerweise völlig vergessen haben möchte, und so eile ich, zu versichern, daß dies ganz und gar nicht der Fall war, sondern daß ich vielmehr unablässig und nicht ohne Beklemmung mein Augenmerk auf diesen fatalen Punkt gerichtet hielt. In dem Maße freilich, wie ich mit mir selbst über die Lösung des widrigen Knotens einig wurde, wandelte sich diese Beklemmung in die freudige Beklommenheit, die wir empfinden, wenn wir im Begriffe sind, unsere Fähigkeiten an einer großen, ja übergroßen Aufgabe zu messen, und – hier muß ich meiner Feder Zügel anlegen und der Versuchung, gleich alles vorauszusagen, aus Berechnung noch etwas widerstehen. Denn da sich nun doch je mehr und mehr das Vorhaben in mir befestigt, dieses Schriftchen, sollte ich überhaupt damit zu Rande kommen, dereinst der Presse zu übergeben und vor die Öffentlichkeit zu bringen, so täte ich unrecht, wenn ich mich nicht den hauptsächlichsten Regeln und Maximen unterwürfe, von denen die Kunstverfasser, um Neugier und Spannung zu erzeugen, sich leiten lassen, und gegen die ich gröblich verstoßen

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