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Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul

Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul

Titel: Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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zu entziffern, ich verglich, ich wog mit den Augen ab, meine Liebe zum Edelstein der Erde, diesen stofflich vollkommen wertlosen Kristallen, deren gemeine Bestandteile lediglich durch spielende Laune der Natur zu kostbaren Gebilden zusammenschießen, ward mir zum ersten Male bewußt, und damals war es, daß ich die erste Grundlage zu meiner späteren verläßlichen Kennerschaft auf diesem zauberhaften Gebiete legte.
       Soll ich noch reden von den Blumenhandlungen, aus deren Türen, wenn sie sich öffneten, die laufeuchten Düfte des Paradieses quollen, und hinter deren Fenstern sich mir jene üppigen, mit riesigen Atlasschleifen geputzten Körbe zeigten, die man den Frauen schickt, um ihnen seine Aufmerksamkeit zu erweisen? Von den Papeterieläden, deren Auslagen mich lehrten, welcher Papiere man sich kavaliermäßigerweise zu seinen Korrespondenzen bedient und wie man sie mit den Anfangsbuchstaben seines Namens bedrucken, Krone und Wappen daraufstechen läßt? Von den Fenstern der Parfümerien und Friseure, wo in blitzend geschliffenen Phiolen die mannigfaltigen Duftwässer und Essenzen französischer Herkunft prangten, in reich ausgeschlagenen Etuis jene weichlichen Geräte vorgeführt waren, welche der Nagelpflege und der Gesichtsmassage dienen? – Die Gabe des Schauens, sie war mir verliehen, und sie war mein ein und alles zu dieser Frist – eine erziehliche Gabe gewiß, schon soweit das Dingliche, die lockend-belehrenden Auslagen der Welt ihren Gegenstand bilden. Aber wieviel tiefer doch ins Gefühl greift das Erschauen, das Mit-den-Augen-Verschlingen des Menschlichen, wie die große Stadt in ihren vornehmen Quartieren, in denen ich mich vorzüglich bewegte, es der Beobachtung anbietet, und wie ganz anders noch als leblose Sachbestände mußte es das Verlangen, die Aufmerksamkeit des inständig strebenden Jünglings beschäftigen!
       O Szenen der schönen Welt! Nie habt ihr euch empfänglicheren Augen dargeboten. Der Himmel weiß, warum gerade eines der Sehnsucht erregenden Bilder, die ich damals aufnahm, sich mir so tief eingesenkt hat, so fest in meiner Erinnerung haftet, daß es mich trotz seiner Unbedeutendheit, ja Nichtigkeit noch heute mit Entzücken erfüllt. Ich widerstehe nicht der Versuchung, es hier hinzumalen, obgleich mir sehr wohl bekannt ist, daß der Erzähler – und als solcher betätige ich mich doch auf diesen Blättern – den Leser nicht mit Vorkommnissen behelligen sollte, bei denen, platt gesagt, ›nichts herauskommt‹, da sie das, was man ›Handlung‹ nennt, in keiner Weise fördern. Vielleicht aber ist es bei der Beschreibung des eigenen Lebens noch am ehesten erlaubt, statt den Gesetzen der Kunst den Vorschriften seines Herzens zu folgen.
    Noch einmal, es war nichts, nur war es reizend. Der Schauplatz war zu meinen Häupten: ein offener Balkon der Bel-Étage des großen Hotels ›Zum Frankfurter Hof‹. Auf ihn traten – so einfach war es, ich entschuldige mich – eines Nachmittags zwei junge Leute, jung wie ich selbst es war, Geschwister offenbar, möglicherweise ein Zwillingspaar – sie sahen einander sehr ähnlich – Herrlein und Fräulein, miteinander ins winterliche Wetter hinaus. Sie taten es ohne Kopfbedeckung, ohne Schutz, aus purem Übermut. Leicht überseeischen Ansehens, dunkelhäuptig, mochten sie spanisch-portugiesische Südamerikaner, Argentinier, Brasilianer – ich rate nur – sein; vielleicht aber auch Juden, – ich möchte mich nicht verbürgen und ließe mich dadurch in meiner Schwärmerei nicht beirren, denn luxuriös erzogene Kinder dieses Stammes können höchst anziehend sein. Beide waren sie bildhübsch, – nicht zu sagen, wie hübsch, der Jüngling um nichts weniger als das Mädchen. Für den Abend gekleidet schon beide, trug jener Perlen in der Hemdbrust, diese eine Diamantagraffe in ihrem reichen und dunklen, wohlfrisierten Haar und eine andere an der Brust, dort, wo der fleischfarbene Samt ihres Prinzeß-Kleides in durchsichtige Spitzen überging, aus denen auch die Ärmel der Robe gearbeitet waren.
    Ich zitterte für die Intaktheit von ihrer beider Toilette, denn einige feuchte Schneeflocken stöberten und blieben auf ihren gewellten schwarzen Scheiteln liegen. Auch führten sie ihren kindischen Geschwisterstreich nur höchstens zwei Minuten lang durch, nur, um einander, über das Geländer gebeugt, lachenden Mundes einige Vorgänge der Straße zu zeigen. Dann schauderten sie spaßhaft vor Kälte, klopften eine oder die andere

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