Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul

Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul

Titel: Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
Vom Netzwerk:
Schneeflocke von ihren Kleidern ab und zogen sich ins Zimmer zurück, das sich in demselben Augenblick erleuchtete. Fort waren sie, die entzückende Phantasmagorie eines Augenblicks, entschwunden auf Nimmerwiedersehen. Aber noch lange stand ich und blickte, aufrecht an einem Laternenpfahl, zu ihrem Balkon empor, indem ich ihr Dasein im Geist zu durchdringen suchte; und nicht nur diese Nacht, sondern in so mancher folgenden noch, wenn ich ermüdet vom Wandern und Schauen auf meiner Küchenbank lag, handelten meine Träume von ihnen.
       Liebesträume, Träume des Entzückens und des Vereinigungsstrebens – ich kann sie nicht anders nennen, obgleich sie keiner Einzelgestalt, sondern einem Doppelwesen galten, einem flüchtig-innig erblickten Geschwisterpaar ungleichen Geschlechts – meines eigenen und des anderen, also des schönen. Aber die Schönheit lag hier im Doppelten, in der lieblichen Zweiheit, und wenn es mir mehr als zweifelhaft ist, daß das Erscheinen des Jünglings allein auf dem Balkon mich, abgesehen vielleicht von den Perlen im Vorhemd, im geringsten entzündet hätte, so habe ich fast ebenso guten Grund, zu bezweifeln, daß das Bild des Mädchens allein, ohne ihr brüderliches Gegenstück, vermögend gewesen wäre, meinen Geist in so süße Träume zu wiegen. Liebesträume, Träume, die ich liebte, eben weil sie von – ich möchte sagen – ursprünglicher Ungetrenntheit und Unbestimmtheit, doppelten und das heißt doch erst: ganzen Sinnes waren, das berückend Menschliche in beiderlei Geschlechtsgestalt selig umfaßten. –
       Schwärmer und Gaffer! höre ich den Leser mir zurufen. Wo bleiben deine Abenteuer? Gedenkst du mich durch dein ganzes Buch hin mit solchen empfindsamen Quisquilien, den sogenannten Erlebnissen deiner begehrlichen Schlaffheit zu unterhalten? Drücktest auch wohl, bis etwa ein Konstabler dich weitertrieb, Stirn und Nase an große Glasscheiben, um durch den Spalt cremefarbener Vorhänge in das Innere vornehmer Restaurants zu blikken, – standest in verworrenen Würzdüften, welche durchs Kellergitter aus den Küchen emporstiegen, und sahst die feine Gesellschaft Frankfurts, bedient von geschmeidi gen Kellnern, an kleinen Tischen soupieren, auf denen beschirmte Kerzen in Armleuchtern und Kristallvasen mit seltenen Blumen standen? – So tat ich – und bin überrascht, wie treffend der Leser meine dem schönen Leben abgestohlenen Schaugenüsse wiederzugeben weiß, gerade als hätte er selbst seine Nase an den erwähnten Scheiben plattgedrückt. Was aber die »Schlaffheit« betrifft, so wird er der Verfehltheit einer solchen Kennzeichnung sehr bald gewahr werden und sie, als Gentleman, unter Entschuldigungen zurücknehmen. Schon hier aber sei berichtet, daß ich denn doch, dem bloßen Schauen mich entraffend, einige persönliche Berührung mit jener Welt, zu der die Natur mich drängte, suchte und fand, indem ich nämlich bei Schluß der Teater vor den Eingängen dieser Anstalten mich umhertrieb und als ein behender und diensteifriger Bursche dem höheren Publikum, das angeregt plaudernd und erhitzt von süßer Kunst den Vorhallen entströmte, beim Anhalten der Droschken, beim Herbeirufen wartender Equipagen behilflich war. Jenen warf ich mich in den Weg, um sie vor dem Regendach des Teatereingangs für meine Auftraggeber zum Stehen zu bringen, oder lief auch wohl ein Stück die Straße hinauf, um eine zu ergattern, neben dem Kutscher sitzend vorzufahren und, wie ein Lakai mich herabschwingend, den Wartenden mit einer Verbeugung, deren Artigkeit ihnen zu denken gab, den Schlag zu öffnen. Um diese, nämlich die Privat-Coupés und Karossen, zur Stelle zu schaffen, hatte ich mir auf einschmeichelnde Art die Namen der glücklichen Besitzer erbeten und fand dann kein geringes Vergnügen daran, diese Namen nebst Titeln – Geheimrat Streisand! Generalkonsul Åckerbloom! Oberstleutnant von Stralenheim oder Adelebsen! – mit heller Stimme straßauf in die Lüfte zu senden, damit die Gespanne anführen. Manche Namen waren recht schwierig, so daß ihre Träger zögerten, sie mir mitzuteilen, aus Unglauben an meine Fähigkeit, sie auszusprechen. Ein würdiges Ehepaar mit augenscheinlich unvermählter Tochter zum Beispiel hieß Crequis de Mont-en-fleur, und wie angenehm berührt zeigten sich alle drei von der korrekten Eleganz, mit der ich, da sie sich mir schließlich anvertraut, diese gleichsam aus Knistern und Kichern in nasale und blumige Poesie übergehende

Weitere Kostenlose Bücher