Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul

Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul

Titel: Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
Vom Netzwerk:
diese Schaustellungen erleuchtet; Reihen von kleinen Gasflammen, am unteren Rand der Fenster angebracht, verhindern das Zufrieren der Scheiben. Und da stand ich, gegen die Kälte geschützt einzig durch einen um den Hals gewickelten wollenen Schal (denn mein Überrock, von meinem armen Vater erblich überkommen, war zeitig gegen geringen Erlös aufs Leihamt gewandert), und verschlang mit den Augen das Gute, das Teure und Herrschaftliche, ohne der Kälte, der Feuchtigkeit zu achten, die mir von den Füßen hinauf bis in die oberen Beine stieg. Ganze Einrichtungen waren in den Fenstern der Möbelhändler aufgebaut: Herrenzimmer von erster Bequemlichkeit; Schlafgemächer, welche mit jeder Verfeinerung intimer Lebensgewohnheiten bekannt machten; einladende kleine Speisesäle, wo der damastgedeckte, blumengeschmückte, mit behaglichen Sesseln umstellte Tisch reizend von Silber, feinem Porzellan und gebrechlichen Gläsern schimmerte; fürstliche Salons in formellem Geschmack mit Kandelabern, Kaminen und wirkbildbespannten Armstühlen; und nicht satt wurde ich, zu sehen, wie die Beine der edlen Möbel so vornehm bestimmt und glänzend auf dem mild glühenden Farbengrunde der Perserteppiche standen. Weiterhin nahmen die Schauräume eines Herrenschneider- und Modegeschäftes meine Aufmerksamkeit in Anspruch. Hier sah ich die Garderobe der Großen und Reichen vom Sammetschlafrock oder der atlasgesteppten Hausjacke bis zum abendlich strengen Frack, vom alabasternen Halskragen in letzter, gewähltester Form bis zur zarten Gamasche und zum spiegelnden Lackschuh, vom fein gestreiften oder gepünktelten Manschettenhemd bis zum kostbaren Leibpelz; hier eröffnete sich mir ihr Reisehandgepäck, diese Tornister des Luxus, gefertigt aus schmiegsamem Kalbsleder oder der teuren Krokodilshaut, welche wie aus Flicken zusammengesetzt erscheint, und ich lernte sie kennen, die Bedürfnisse einer hohen und unterschiedenen Lebensführung, die Flakons, die Bürsten, die Nécessaires, die Futterale mit Speisebestecken und zusammenlegbaren Spirituskochern in feinstem Nickel; Phantasiewesten, herrliche Krawatten, sybaritische Unterwäsche, Saffianpantoffel, Hüte mit Atlasfutter, Handschuhe aus Wildleder und Strümpfe aus Seidenflor waren in verführerischen Anordnungen dazwischen ausgelegt, und bis auf den letzten handlich-gediegenen Knopf konnte der Jüngling sich das Zubehör einer eleganten Herrenausstattung ins Gedächtnis prägen. Aber vielleicht brauchte ich nur, mit Umsicht und Geschick zwischen Fuhrwerken und läutenden Trams hindurchschlüpfend, die Straße zu überschreiten, um vor die Fenster einer Kunsthandlung zu gelangen. Dort sah ich die Güter der schmückenden Industrie, jene Objekte einer höheren und gebildeten Augenlust, als: Kunstgemälde von Meisterhand, milde Porzellane in allerlei Tiergestalt, schöngeformte Tonwaren, erzene kleine Statuen, und gern hätte ich die gestreckten und edlen Leiber liebkosend mit meiner Hand umfaßt. Was war es jedoch für ein Glanz, der wenige Schritte weiter den Staunenden zur Stelle bannte? Die Auslagen eines großen Juweliers und Goldarbeiters waren es, – und da trennte denn nichts als eine gebrechliche Glasscheibe die Begierde eines frierenden Knaben von allen Schätzen des Märchenlandes. Hier, wenn irgendwo, verband mein anfangs geblendetes Entzücken sich mit dem größesten Lerneifer. Die Perlenschnüre, bleich schimmernd auf Spitzendeckchen untereinandergereiht, kirschdick in der Mitte, nach den Seiten sich gleichmäßig verjüngend, mit Diamantenverschlüssen am Ende und ganze Vermögen wert; die brillantnen Geschmeide, auf Sammet gebettet, hart glitzernd in allen Farben des Regenbogens und würdig, den Hals, den Busen, das Haupt von Königinnen zu schmücken; glattgoldene Zigarettendosen und Stockgriffe, auf Glasplatten verführerisch präsentiert; und, überall nachlässig dazwischen gestreut, geschliffene Edelsteine vom herrlichsten Farbenspiel: blutrote Rubine; Smaragde, grasgrün und glasig; Saphire, blau-durchsichtig, die einen sternförmigen Lichtschein entsandten; Amethyste, von denen man sagt, daß sie ihr köstliches Violett einem Gehalte an organischer Substanz verdanken; Perlmutteropale, welche die Farbe wechselten, je nach dem Platz, den ich einnahm; vereinzelte Topase; Phantasiesteine in allen Abstufungen der Farbenskala – ich erlabte an alledem nicht nur meinen Sinn, ich studierte es, ich vertiefte mich innig darein, ich suchte die hie und da angebrachten Preise

Weitere Kostenlose Bücher