Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bel Ami (German Edition)

Bel Ami (German Edition)

Titel: Bel Ami (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guy de Maupassant
Vom Netzwerk:
Bildung aus einer Leihbibliothek stammte. Die Vicomtesse de Percemur schien alle Anwesenden zu verachten, und sehr ungern berührten ihre »Samtpfötchen« diese gemeinen Plebejerhände.
    Clotilde, in einen Spitzenschal gehüllt, sagte beim Hinausgehen zu Madeleine:
    »Dein Diner ist fabelhaft gelungen. Du wirst bald den besten politischen Salon in Paris haben.«
    Als sie mit Georges allein war, umarmte sie ihn und sagte:
    »Du, mein lieber Bel-Ami, von Tag zu Tag liebe ich dich mehr.«
    Der Wagen schaukelte wie ein Boot. »Unser Zimmer ist doch viel schöner«, sagte sie. »O ja«, antwortete er, aber er dachte dabei an Frau Walter.

IV.
    Der Platz vor der Trinité-Kirche lag menschenleer in der glühenden. Julisonne. Eine drückende Hitze lastete über Paris, als wenn die schwere Luft von dort oben verbrannt und auf die Stadt herabgefallen wäre; es war eine dicke, schwüle; und versengende Luft, die den Lungen weh tat.
    Das Wasser im Springbrunnen rieselte lässig herab. Es schien ermattet vom Springen, schlaff und müde, und das Wasser in dem Bassin, in dem Blätter und Papierfetzen herumschwammen, sah blaugrün, schwer und trübe aus. Ein Hund, der auf den steinernen Rand gesprungen war, badete in dieser verdächtigen Flüssigkeit. Ein paar Menschen, die auf den Bänken in den Anlagen herumsaßen, blickten voll Neid auf das Tier.
    Du Roy zog seine Uhr. Es war erst drei Uhr; er hatte noch eine halbe Stunde Zeit. Er mußte lachen, wenn er an dieses Rendezvous dachte: »Die Kirchen dienen zu allem möglichen,« sagte er sich, »sie trösten sie darüber, einen Juden geheiratet zu haben, geben ihr eine oppositionelle Haltung in der Politik, eine passende Stellung in der vornehmen Welt und ein Obdach für galante Abenteuer. Es ist nämlich die Gewohnheit, sich der Religion zu bedienen, wie man einen entoutcas-Schirm gebraucht. Ist das Wetter schön, dient er als Spazierstock, scheint die Sonne, so ist er ein Sonnenschirm, wenn es regnet ein Regenschirm, und wenn man überhaupt nicht ausgeht, läßt man ihn im Vorzimmer stehen. Und so gibt es Hunderte, die sich aus dem lieben Gott nichts machen und doch nicht gestatten, daß man ihn lästert und ihn dabei gern als Vermittler gebrauchen. Wenn man einer solchen Frau vorschlüge, in ein Absteigequartier zu gehen, so würde sie es mit Entrüstung zurückweisen und als Schande betrachten, aber sie findet gar nichts darin, am Fuße des Altars eine Liebesgeschichte anzuspinnen. Er ging langsam am Springbrunnen auf und ab und sah nochmals nach der Uhr auf dem Kirchturm, die im Vergleich zu seiner zwei Minuten vorging. Er dachte, daß es wohl drinnen angenehmer sein würde und ging hinein.
    Die kühle Kellerluft des steinernen Gewölbes umfing ihn. Er atmete sie mit Behagen ein und ging dann durch das Kirchenschiff, um die Örtlichkeit zu übersehen. Aus der Tiefe des mächtigen Bauwerks tönte ein anderer regelmäßiger Schritt herüber; bald hielt er inne, bald hallte er wieder laut auf den Steinfliesen. Er suchte neugierig nach diesem Spaziergänger. Es war ein dicker, kahlköpfiger Herr, der mit der Nase in der Luft und den Hut hinter dem Rücken herumging. Hier und da kniete eine alte Frau, das Gesicht in die Hände vergraben. Ein Gefühl der Einsamkeit, des Verlassenseins und der Ruhe erfüllte seinen Geist, und das Licht, das durch die farbigen Scheiben fiel, tat den Augen wohl. Du Roy fand es hier drinnen »recht behaglich«. Er ging wieder an die Tür und sah abermals nach der Uhr. Es war erst ein viertel nach drei. Er setzte sich am Haupteingang und bedauerte sehr, daß er hier keine Zigarette rauchen dürfe. Vom andern Ende der Kirche, in der Nähe des Chors, ertönten nach wie vor die langsamen, schallenden Schritte des dicken Herrn. Jemand kam herein. Du Roy drehte sich hastig um. Es war eine arme, einfache Frau im Wollrock; gleich beim ersten Stuhl fiel sie auf die Knie und verharrte hier mit gefalteten Händen, den Blick gen Himmel erhoben, die Seele im Gebet versunken.
    Du Roy beobachtete sie; es interessierte ihn, welcher Kummer, welcher Schmerz oder welche Verzweiflung diese arme Seele in die Kirche getrieben hatte. Tiefstes Elend sah man ihr an. Vielleicht hatte sie einen Mann, der sie halbtot prügelte oder ein sterbendes Kind?
    »Armes Wesen,« dachte er, »es gibt so viele, die leiden müssen!« Und er zürnte gegen die erbarmungslose Natur. Dann überlegte er sich, daß diese armseligen Leute wenigstens daran glaubten, daß dort oben ein Auge über sie

Weitere Kostenlose Bücher