Bel Ami (German Edition)
hübsche Figur, ihren Busen und die schönen Arme vorteilhaft zur Geltung brachte und ihrem Vogelgesichtchen einen energischen Ausdruck verlieh.
Du Roy führte Frau Walter zu Tisch, aber er sprach mit ihr nur über ernsthafte Dinge und mit einer etwas übertriebenen Ehrfurcht. Von Zeit zu Zeit blickte er Clotilde an. »Sie ist ja freilich hübscher und frischer«, dachte er. Dann fiel sein Blick auf seine Frau, die fand er auch nicht übel, obgleich er gegen sie eine zähe, versteckte und grimmige Wut hatte. Aber Frau Walter reizte ihn durch die Schwierigkeiten der Eroberung und durch die Abwechslung, die Männer immer lieben und begehren.
Sie wollte frühzeitig nach Hause.
»Ich werde Sie begleiten«, sagte er.
Sie weigerte sich, aber er bestand darauf.
»Warum wollen Sie nicht. Sie verletzen mich tief. Ich muß doch annehmen, daß Sie mir nicht verzeihen wollen. Sie sehen, wie ruhig ich bin.«
»Sie können Ihre Gäste nicht so im Stich lassen«, erwiderte sie.
Er lächelte:
»Ach was, in zwanzig Minuten bin ich wieder da. Kein Mensch wird es merken. Wenn Sie nein sagen, verletzen Sie mich bis ins Tiefste meines Herzens.«
»Gut, ich bin einverstanden«, murmelte sie.
Kaum waren sie im Wagen, da ergriff er ihre Hände und küßte sie leidenschaftlich.
»Ich liebe Sie, ich liebe Sie. Lassen Sie es mich Ihnen sagen. Ich rühre Sie nicht an. Ich will nur immerfort wiederholen, daß ich Sie liebe.«
Sie stammelte:
»Oh, ... nachdem Sie mir versprochen haben — Das ist nicht recht ... Das ist schlecht von Ihnen.«
Er tat, als müsse er sich mit Gewalt beherrschen; dann fuhr er mit verhaltener Stimme fort:
»Sehen Sie, wie ich mich beherrsche. Und doch ... lassen Sie mich nur das Eine sagen ... Ich liebe Sie ... lassen Sie mich es Ihnen täglich wiederholen ... ja, gönnen Sie mir täglich einen Besuch von fünf Minuten ... lassen Sie mich auf den Knien Ihnen diese Worte wiederholen und Ihr geliebtes Antlitz bewundern ...«
Sie hatte ihm ihre Hand gelassen und wiederholte schweratmend:
»Nein, ich kann nicht, ich will nicht. Denken Sie doch, was man sagen wird, denken Sie an die Dienstboten, an meine Töchter, Nein, es ist ausgeschlossen.«
Er fuhr fort:
»Ich kann nicht ohne Sie leben. Ob bei Ihnen oder wo anders — ich muß Sie sehen, und wenn es täglich nur eine Minute wäre, damit ich Ihre Hand berühre, den Duft Ihres Kleides einatme, die Linie Ihres Körpers und Ihre großen schönen Augen, die mich wahnsinnig machen, betrachten kann.«
Sie hörte die banalen Liebesphrasen an, bebte am ganzen Körper und stammelte:
»Nein ... nein, es ist unmöglich, schweigen Sie!«
Er flüsterte ihr ganz leise ins Ohr, denn er hatte begriffen, daß er diese unkomplizierte Frau nur allmählich erobern konnte, daß er sie bestimmen mußte, ihm ein Rendezvous zu geben, zunächst, wo sie wollte und dann, wo er wollte.
»Hören Sie mich,« sagte er, »es muß sein ... ich werde Sie sehen ... ich werde auf Sie vor Ihrer Tür warten ... wie ein Bettler ... ich gehe hinauf ... aber ich werde Sie sehen ... ich muß Sie sehen ... morgen.«
Sie wiederholte:
»Nein, nein, kommen Sie nicht. Ich werde Sie nicht: empfangen. Sie müssen an meine Töchter denken.«
»Dann sagen Sie mir, wo ich Sie treffen kann. ... auf der Straße ... wo es auch sei ... zu jeder Zeit: ... wann Sie wollen ... nur daß ich Sie sehen darf ... Ich werde Sie begrüßen und Ihnen sagen: ‘Ich liebe Sie’, und werde gehen.«
Sie zögerte, wußte nicht, was sie tun sollte. Und da der Wagen schon vor ihrer Tür hielt, murmelte sie sehr schnell:
»Ich werde morgen um halb vier in die Trinité-Kirche kommen.«
Dann stieg sie aus und befahl dem Kutscher:
»Fahren Sie Herrn Du Roy nach Hause.«
Als er zurückkam, fragte ihn seine Frau: »Wo warst du denn so lange?«
»Ich mußte ein wichtiges Telegramm aufgeben«, antwortete er leise.
Madame von Marelle trat auf ihn zu.
»Werden Sie mich nach Hause bringen, Bel-Ami«, fragte sie: »Sie wissen, daß ich nur unter dieser Bedingung so weit vom Hause Einladungen zum Diner annehme!«
Dann wandte sie sich an Madeleine.
»Du bist doch nicht eifersüchtig?«
»Nein, nicht die Spur«, antwortete Frau Du Roy langsam.
Die Gäste brachen auf, Frau Laroche-Mathieu sah wie ein kleines Provinzmädel aus. Sie war die Tochter eines Notars und heiratete Laroche, als er noch ein unbedeutender Rechtsanwalt war. Frau Rissolin war alt und prätentiös und machte den Eindruck einer alten Hebamme, deren
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