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Bel Ami (German Edition)

Bel Ami (German Edition)

Titel: Bel Ami (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guy de Maupassant
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wache und daß im Himmel ihr irdischer Lebenswandel mit der Bilanz von Soll und Haben verbucht sei. — Dort oben. — Wo denn eigentlich?
    In der Stille der Kirche versank Du Roy in weltumspannende Träumereien. Er begann in Gedanken die ganze Schöpfung zu umfassen und er murmelte ganz leise vor sich hin: »Wie das alles eigentlich dumm ist.« Das Rauschen eines Kleides ließ ihn hochfahren.
    Sie war es.
    Er stand auf und ging schnell auf sie zu. Sie reichte ihm nicht die Hand und sagte nur ganz leise:
    »Ich habe nur ein paar Augenblicke Zeit. Ich muß gleich wieder nach Hause. Knien Sie neben mir nieder, damit wir nicht auffallen.« Sie durchschritt das Kirchenschiff und suchte, wie jemand, der das Haus genau kannte, nach einem passenden ungestörten Platz. Ihr Gesicht war mit einem dichten Schleier bedeckt und sie ging mit gedämpften, kaum hörbaren Schritten. Als sie den Chor erreicht hatten, drehte sie sich um und sprach mit einer geheimnisvollen, kaum hörbaren Stimme, wie man in der Kirche zu sprechen pflegt:
    »Es ist besser an der Seite; hier kann man zu leicht gesehen werden.«
    Sie verbeugte sich tief vor dem Tabernakel des Hauptaltars und bog: dann nach rechts ein und ging wieder in der Richtung nach dem Eingange zurück. Plötzlich schien sie einen Entschluß zu fassen, nahm einen Betstuhl und kniete nieder. Georges nahm den danebenstehenden und so knieten sie unbeweglich in der Haltung von Betenden.
    »Ich danke Ihnen, danke,« flüsterte er, »ich liebe Sie über alles. Ich möchte Ihnen das immerfort sagen, Ihnen erzählen, wie bei mir die Liebe zu Ihnen begonnen, wie ich beim erstenmal, als ich Sie sah, von Ihrem Reiz und Ihrer Anmut bezaubert wurde ... Wollen Sie mir einmal erlauben, Ihnen mein ganzes Herz auszuschütten, Ihnen all das zu erklären.«
    Sie hörte zu, anscheinend tief in Gedanken versunken, als hätte sie überhaupt nichts vernommen.
    »Ich bin wahnsinnig, daß ich Sie so mit mir sprechen lasse, wahnsinnig, daß ich gekommen bin, wahnsinnig, daß zu tun, was ich tue; Sie glauben zu lassen, daß dieses Abenteuer irgendeine Fortsetzung finden könnte. Vergessen Sie, es muß sein, und sprechen Sie nie davon.«
    Sie wartete. Er suchte nach einer überzeugenden leidenschaftlichen Antwort, da er jedoch seine Worte durch Liebkosungen nicht verstärken konnte, fühlte er sich wie gelähmt.
    »Ich erwarte nichts,« fuhr er fort, »ich erhoffe nichts. Ich liebe Sie. Sie können tun, was Sie wollen, ich werde es Ihnen immer wieder sagen, so leidenschaftlich und so eindringlich, daß Sie schließlich daran glauben werden. Ich werde meine Liebe und Zärtlichkeit in Sie eindringen lassen, Wort für Wort, Stunde für Stunde, Tag für Tag, bis sie Sie schließlich ergreifen, Sie milde stimmen und zuletzt auch Sie zu mir sagen müssen: ‘Ich liebe Sie.’«
    Er fühlte, wie ihre Schulter ihn zitternd berührte und wie ihre Brust bebte, dann flüsterte sie hastig:
    »Auch ich liebe Sie.«
    »O mein Gott!«
    Sie fuhr mit bebender Stimme fort:
    »Durfte ich Ihnen das sagen? Ich fühle mich schuldig und verachtungswert ... ich ... die ich zwei Töchter habe ... aber ich kann nicht mehr ... ich kann nicht ... Ich hätte nie geglaubt ... ich hätte nie gedacht ... es war eben stärker als ich ... Hören Sie ... Hören Sie doch ... Ich habe nie jemanden geliebt ... nur Sie allein ... ich schwöre es Ihnen, ich liebe Sie seit einem Jahr heimlich im Innern meines Herzens. Oh, was habe ich gelitten, ja, was habe ich mit mir kämpfen müssen ... Ich kann nicht mehr, ich liebe Sie.«
    Sie weinte in ihre Hände, die sie über ihrem Gesicht gefaltet hatte; ihr ganzer Körper zitterte, erschüttert von der leidenschaftlichen Erregung.
    Georges flüsterte:
    »Geben Sie mir Ihre Hand, daß ich sie berühre, daß ich sie an mich drücke.«
    Langsam zog sie ihre Hand von ihrem Gesicht. Er sah, daß ihre Wangen ganz feucht vom Weinen waren. Ein Tropfen hing noch am Rande der Wimpern, bereit, herunter zu rollen.
    Er ergriff ihre Hand und preßte sie.
    »Oh, ich möchte diese Tränen küssen.«
    Sie sprach mit dumpfer und gebrochener Stimme, so daß es fast wie ein Seufzer klang:
    »Mißbrauchen Sie nicht meine Schwäche ... ich habe den Kopf verloren.«
    Er hatte Lust, zu lächeln. Wie konnte er sie an diesem Ort mißbrauchen. Er preßte ihre Hand an sein Herz und sagte: »Fühlen Sie es klopfen?«
    Denn er war am Ende seiner leidenschaftlichen Redensarten und er wußte nicht mehr, was er sagen sollte.
    Doch seit

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