Bel Ami (German Edition)
gebührt.
Duroy fragte:
»Ist Herr Walter zu sprechen?«
Der Diener antwortete:
»Der Herr Direktor hat eben eine wichtige Konferenz. Wenn der Herr einen Augenblick Platz nehmen will.«
Und er wies auf ein Wartezimmer, das schon voller Menschen war.
Man sah dort ernste, würdige Männer mit Ordensband, und auch etwas vernachlässigte Gestalten mit unsichtbarer Wäsche, deren bis zum Halse zugeknöpfte Röcke eine wahre Landkarte von Flecken zeigten.
Zwischen den Wartenden befanden sich drei Frauen; eine von ihnen war hübsch, elegant und lächelte freundlich; es schien eine Kokotte zu sein. Ihre Nachbarin blickte düster, ihr Gesicht war voller Runzeln; auch sie war besser gekleidet, doch sie hatte etwas Verbrauchtes, künstlich Erhaltenes, wie man es manchmal bei alternden Schauspielern sieht, eine Art falscher, abgestandener Jugend, die an ranzig gewordenes Parfüm d'Amour erinnert.
Die dritte Frau trug Trauer und saß in der Ecke, mit der Haltung einer untröstlichen Witwe. Duroy hielt sie für eine Bittstellerin.
Indessen wurde niemand vorgelassen, obgleich über zwanzig Minuten verstrichen waren.
Da hatte Duroy eine gute Idee; er ging nochmals zum Diener hinaus und sagte:
»Herr Walter hat mich um drei Uhr herbestellt. Sehen Sie bitte nach, ob mein Freund Forestier hier ist?«
Man führte ihn jetzt durch einen langen Flur in einen großen Saal, in dem vier Herren um einen großen grünen Tisch saßen und schrieben.
Forestier stand vor dem Kamin, rauchte eine Zigarette und spielte Bilboquet (Fangball). Er war ein vortrefflicher Spieler und fing die Kugel aus gelbem Buchsbaum mit der kleinen Holzspitze fast jedesmal richtig auf. Er zählte: »22 ... 23 ... 24 ... 25.«
»26!« rief Duroy.
Da blickte sein Freund auf, ohne seine regelmäßige Armbewegung einzustellen.
»Ah, da bist du ja«, rief er. »Gestern habe ich siebenundfünfzigmal hintereinander getroffen. Nur Saint-Potin kann es noch besser als ich. Hast du den Chef gesprochen? Nichts ist komischer, als diesen alten Norbert Fangball spielen zu sehen. Er reißt den Mund auf, als wollte er die Kugel runterschlucken.«
Einer der Redakteure drehte den Kopf nach ihm um.
»Weißt du, Forestier, ich kenne ein ausgezeichnetes Bilboquet aus Antillenholz, das zu verkaufen ist. Es soll der Königin von Spanien gehört haben. Man verlangt dafür sechzig Francs, das ist nicht teuer.«
»Wo ist es zu haben?« fragte Forestier.
Da er seinen 37. Wurf verfehlt hatte, öffnete er den Schrank, in dem Duroy gegen zwanzig wunderbare Bilboquets sah, die alle geordnet und numeriert waren, wie Kostbarkeiten aus einer Kunstsammlung. Forestier stellte das Instrument auf seinen richtigen Platz und wiederholte die Frage:
»Wo steckt dieses Kleinod?«
Der Journalist antwortete:
»Bei einem Billetthändler beim Vaudeville-Theater. Wenn du willst, bringe ich dir das morgen mit.«
»Ja gut. Wenn es wirklich schön ist, nehm' ich es. Man kann nie zuviel Bilboquets besitzen.«
Dann wandte er sich zu Duroy.
»Komm jetzt, ich führe dich zum Chef, sonst kannst du hier warten bis zum späten Abend.«
Sie gingen wieder durch den Wartesaal, wo dieselben Personen genau in derselben Reihenfolge saßen. Als Forestier erschien, erhoben sich die junge Dame und die alte Schauspielerin und gingen schnell auf ihn zu. Er führte eine nach der andern in die Fensternische, und trotzdem sie sich ganz leise unterhielten, hörte Duroy, daß er beide duzte.
Dann stießen sie zwei Polstertüren auf und kamen zum Direktor.
Die wichtige Konferenz, die schon eine Stunde dauerte, bestand in einer Partie Écarté mit einigen Herren, die Duroy gestern wegen ihrer flachen Zylinderhüte aufgefallen waren.
Herr Walter spielte mit angespannter Aufmerksamkeit und vorsichtigen, abgemessenen Bewegungen, während sein Gegner die leichten, bunten Blätter mit Gewandtheit, Geschicklichkeit und Anmut eines geübten Spielers nahm, ausspielte und durch seine Finger gleiten ließ. Norbert de Varenne saß im großen Lehnstuhl des Direktors und schrieb einen Artikel, Jaques Rival lag mit geschlossenen Augen lang ausgestreckt auf einem Sofa und rauchte eine Zigarre.
Es roch hier in dem abgeschlossenen Zimmer nach dem Leder der Möbel, nach altem Tabak und nach Druckerschwärze. Man spürte den eigenartigen Duft der Redaktionszimmer, der jedem Journalisten bekannt ist.
Auf dem schwarzen, kupferbeschlagenen Tisch lag ein gewaltiger Papierhaufen, Briefe, Karten, Zeitungen, Rechnungen der Lieferanten,
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