Bel Ami (German Edition)
recht, wie er es ihr begreiflich machen sollte, daß er sehr glücklich sein würde, wenn sie seine Frau werden wollte. Gewiß konnte er es ihr zu dieser Stunde angesichts dieses Toten nicht sagen, doch er hoffte, eine jener vielsagenden, doppelsinnigen, anständigen Redensarten zu finden, die alles durchblicken lassen, ohne etwas direkt auszusprechen.
Doch die Leiche genierte ihn, die starre, kalte Leiche, die vor ihm lag, und die sie zwischen sich fühlten.
Übrigens glaubte er seit einiger Zeit zu bemerken, daß die Luft des geschlossenen Zimmers einen verdächtigen Geruch annahm, der aus jener stillen, zusammengesunkenen Brust zu kommen schien, der erste Hauch der Verwesung, den die Toten auf die Überlebenden ausströmen, der schreckliche Duft, mit dem sie dann bald den engen Raum ihres Sarges erfüllen.
»Können wir nicht das Fenster etwas öffnen?« fragte Duroy, »es scheint mir, daß die Luft schlecht ist.«
Sie antwortete:
»Gewiß, mir ist es auch so vorgekommen;«
Er ging zum Fenster und öffnete es. Ein Hauch der frischen, duftigen Nacht wehte herein und ließ die beiden Kerzen neben dem Bett flackern. Draußen breitete wie am Tage vorher der Mond sein ruhig flutendes Licht auf die weißen Mauern der Villen und die breite, leuchtende Fläche des Meeres. Duroy atmete tief; er fühlte sich jetzt von neuen Hoffnungen erfüllt und belebt vom Herannahen des Glücks.
Er drehte sich um:
»Kommen Sie doch etwas frische Luft schöpfen,« sagte er, »es ist herrlich draußen.«
Ruhig kam sie an ihn heran und lehnte sich neben ihn ans Fenster.
Und mit leiser Stimme flüsterte er:
»Hören Sie mich an und verstehen Sie recht, was ich Ihnen sage. Zürnen Sie mir bitte nicht, daß ich in diesem Augenblick von solchen Dingen mit Ihnen zu sprechen wage, aber übermorgen schon muß ich Sie verlassen, und wenn Sie nach Paris zurückkommen, wird es vielleicht zu spät sein. Sehen Sie ... ich bin ein armer Teufel, ich besitze kein Vermögen, und meine Stellung muß ich mir noch erkämpfen, das wissen Sie. Doch ich habe Willenskraft, etwas Verstand — so glaube ich wenigstens — und ich bin auf dem richtigen Wege. Bei einem Manne, der sich schon durchgesetzt hat, weiß man, woran man ist, bei einem Anfänger weiß man nicht, wie weit man kommt. Das ist vielleicht schlimmer, vielleicht besser. Als ich einmal bei Ihnen war, sagte ich Ihnen, daß. es mein höchster Traum wäre, einmal eine Frau wie Sie zu heiraten. Heute sage ich Ihnen das noch einmal. Antworten Sie mir noch nicht, lassen Sie mich ausreden. Ich richte an Sie keine Frage, der Ort und die Zeit würden schlecht dazu passen. Mir liegt nur daran, daß Sie wissen, wie glücklich Sie mich mit einem einzigen Wort machen können, daß ich ganz nach Ihrem Belieben Ihr brüderlicher Freund und auch Ihr Gatte sein werde, daß ich mit Leib und Seele Ihnen gehöre. Ich will nicht, daß Sie mir jetzt schon antworten, und noch weniger, daß dieser Gegenstand hier erörtert wird. Wenn wir uns in Paris wiedersehen werden, werden Sie mir Ihren Entschluß mitteilen. Bis dahin kein Wort mehr. Einverstanden?«
Er hatte gesprochen, ohne sie anzublicken, als streue er seine Worte in die Nacht hinaus. Und sie schien ihn nicht gehört zu haben, so unbeweglich war sie geblieben, und sie starrte mit ruhigem Blick in die weite Mondlandschaft hinaus. So blieben sie lange nebeneinander, Schulter an Schulter, schweigsam und nachdenklich stehen.
Schließlich murmelte sie:
»Es wird kühl.«
Und sie drehte sich um und trat an das Bett. Er folgte ihr.
Wie er näher herantrat, merkte er, daß der Körper Forestiers tatsächlich Leichengeruch ausströmte. Er rückte seinen Sessel weiter ab, denn lange hätte er diesen Geruch nicht ertragen können.
»Er muß gleich morgen früh in den Sarg gelegt werden«, sagte er.
»Ja, es ist schon abgemacht,« erwiderte sie, »der Tischler kommt gegen acht Uhr.«
»Armer Charles!« seufzte Duroy, und sie stieß auch einen Seufzer der schmerzlichen Ergebung aus.
Sie blickten jetzt nicht so oft zu ihm hinüber, sie hatten sich an die Tatsache gewöhnt, daß er nun tot sei, und begannen, sich in Gedanken schon mit seinem Verschwinden abzufinden, mit dem, was sie eben noch so schmerzlich ergriffen und entsetzt hatte, weil sie auch nur sterbliche Menschen waren.
Sie sprachen jetzt nicht mehr und fuhren fort, auf anständige Weise an der Leiche zu wachen, und versuchten, nicht einzuschlafen. Aber gegen Mitternacht schlief Duroy doch ein. Als
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