Das Blut der Berge (Die Steinzeit-Trilogie) (German Edition)
Kapitel 1 – Verbündete
Pinaa saß am Ufer des großen Sees und beobachtete, wie die Männer einen Baumstamm aushöhlten. Sie mussten mühsam fast das gesamte Innere des Stammes entfernen, bis nur noch eine halbe Handbreit Umrandung übrig war, damit ein schwimmender Körper entstand. Mit diesem Schwimmbaum konnten sich zwei Menschen mit Paddeln - ebenfalls aus dem Baum gearbeitete, etwa einen halben Schritt lange Stiele mit rechteckigen flachen Blättern, die in das Wasser getaucht wurden - über den See bewegen und so auch im tiefen Wasser Netze auslegen und einholen. Zudem konnte man schnell zum anderen Ufer gelangen und dort erlegte Beute einfach zurücktransportieren. Die Männer arbeiteten schon seit vielen Tagen immer wieder an dem Stamm. Dazu wurde ein sorgfältig ausgesuchter Baum aus eher weichem Holz verwendet. Meist wurde ein drei bis fünf Schritt langer Stamm gewählt und zunächst mit starken Keilen grob die erste Schicht entfernt. Dann hackte man mit Beilen nach und nach weitere Holzscheite heraus.
Im Gegensatz zu Äxten wurden die Klingen der Beile nicht durchbohrt und von allen Seiten geschärft, so waren sie für diese Arbeit besser geeignet. Es kostete viel Kraft und Zeit, einen Schwimmbaum herzustellen, aber der Aufwand lohnte sich.
Pinaa praktizierte unterdessen die einfache Art des Fischfangs. Sie hatte die Füße im Wasser und angelte. Heute war sie schon recht erfolgreich gewesen, einige Fische lagen bereits in dem geflochtenen Korb hinter ihr. Der Korb war mit Moos ausgelegt, um die Fische frisch zu halten.
Ihr ständiger Begleiter, ein Wolf mit rotem Fell, den sie Taro getauft hatte, lag träge neben ihr im Gras und beäugte die Stelle, wo die aus Pflanzenfasern bestehende Schnur der Angel auf das Wasser traf. Jeden Fisch, den Pinaa aus dem See holte, versuchte er ihr abzubetteln, aber bisher hatte sie nicht nachgegeben. Taro erjagte und erhielt immer genug Futter und Pinaa ahnte, dass er nur die Köpfe der Fische fressen würde, wie sie es schon gelegentlich beobachtet hatte. Sie wusste nicht, warum er das tat, der Rest des Fisches schmeckte ihrer Ansicht nach besser. Möglicherweise enthielt der Kopf etwas, was stark machte, so wie die Larven der Käfer, die man essen konnte, wenn man lange keinen Jagderfolg hatte. Wie auch immer, sie wollte lieber nicht mit einem Korb voller kopfloser Fische zu ihrer Familie zurückkehren. Taro hatte zweimal versucht, an den Korb zu gehen, aber sie hatte ihn zurückgewiesen und nun wartete er geduldig.
Pinaa betrachtete sein in der Sonne glänzendes Fell und dachte an ihre erste Begleiterin, seine Mutter. Damals als sie noch mit ihrer alten Sippe unterwegs gewesen war, hatte Pinaa mithilfe der Götter einen magischen Begleiter zu sich gerufen und eine wunderschöne starke Wölfin war gekommen. Nicht alle hatten die Anwesenheit des wilden Tieres in ihrer Mitte begrüßt, vor allem Anatoo, der Sohn des Beschwörers und Anführers der Sippe, versuchte mehrmals, die Wölfin loszuwerden. Er sah seinen Anspruch als Nachfolger seines Vaters gefährdet, denn obwohl Pinaa ein Mädchen und kein Kind eines Beschwörers war, hatte sie heilende Kräfte und empfing Bilder von den Geistern der Ahnen.
Schließlich hatte Pinaa mit der Wölfin in die Wälder fliehen und dort merken müssen, dass sie allein verloren wäre. Zum Glück trafen sie auf Asha, eine Frau, die ebenfalls vor ihrer Sippe geflohen war und bereits gelernt hatte zu überleben. Sie blieben zusammen bis Ashas frühere Sippe sie zurückholen wollte. Pinaa wurde von ihrer alten Sippe wieder aufgenommen und nachdem die Wölfin in der Nähe geblieben und einem Mädchen der Sippe das Leben gerettet hatte, durfte auch sie zurückkommen.
Aber die Wölfin hatte in der Zeit, in der sie von Pinaa getrennt war, einen Partner im Wald gefunden. Und auch Pinaa hatte sich verliebt - in Tisgar, den Sohn des Beschwörers einer anderen Sippe. So trennten sich ihre Wege. Die Wölfin folgte ihrem Partner in den Wald. Und Pinaa verließ ihre Gefährten, ihren Vater, ihren Freund Minoo und folgte ihrem neuen Mann und seiner Sippe. Einen Winter später sahen sie sich am See der Federn, dem Treffpunkt der Sippen der Umgebung im Vorsommer, wieder und die Wölfin vertraute Pinaa eines ihrer Jungen an. Taro war seitdem nur von Pinaas Seite gewichen, um mit den Männern zu jagen. Nachts lag er am Eingang zu ihrer Hütte.
Pinaa war vor nunmehr fast drei Wintern Tisgars Frau und damit Teil der Sippe geworden, die sich
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