Bélas Sünden
Fünkchen Wahrheit daran sein könnte. Nicht an dem, was Meta gerade von sich gegeben hatte, das war nur die Version für die Polizei. Aber daran, dass Heinz allein mit Marion in unserer Wohnung war, als es geschah. Doch dann schaute Meta zu dem Sessel hin, in dem Béla saß, von dem aus er aufmerksam zuhörte. Und Meta sagte:»Bist du nun zufrieden? Kein Mensch hat von dir gesprochen.«
Ich habe danach viel über den Unterschied im Verhalten eines Mannes und im Verhalten eines jungen Mädchens nachgedacht, die vor demselben Problem stehen: Eine Waffe loszuwerden, mit der sie gerade einen Mann erschossen haben. Der Mann fährt, gepeinigt von Schuldgefühlen, kreuz und quer durch die Gegend. Er hat mehr als eine Möglichkeit, die Waffe so zu beseitigen, dass sie nie gefunden werden kann. Selbst wenn er daran nicht gedacht hat: Nachdem er wieder einigermaßen klar im Kopf ist, fährt er zu seinem Freund. Die beiden Männer sitzen eine halbe Nacht zusammen. Der Freund ist bereit, für ihn einzustehen. Er gibt ihm ein Alibi und erklärt genau, wie er sich jetzt verhalten muss. Einfach so tun, als ob man von nichts wüsste. Das Mädchen dagegen flieht in seiner Panik über den Balkon durch die Gärten zur Querstraße. Zuerst hält es die Waffe noch in der Hand. Aber nicht lange, dann lässt es sie fallen oder wirft sie irgendwo in die Büsche. Und niemand hat sie gefunden. Dabei haben sie alles abgesucht. Nicht nur unseren Garten, auch die umliegenden und die Straße und die Mülleimer. Aber vielleicht hält das Mädchen die Waffe auch umklammert, bis es daheim ankommt. Die Mutter nimmt die Pistole an sich und wirft sie in einen Müllcontainer, der am nächsten Morgen geleert wird. So haben sie es der Polizei erklärt. Das Mädchen erzählt seiner Mutter, es sei vom eigenen Vater verprügelt und vergewaltigt worden. Auch darüber habe ich lange nachgedacht. Und die frischen Schlagverletzungen, die ich an Marions Körper gesehen hatte, konnten nicht von Heinz stammen. Ein Mann, der täglich eine halbe Stunde auf einen Sack eindrischt, um in Form zu bleiben, hätte ihr mit einem einzigen Schlag den Kiefer zertrümmert. Zwei Schläge von ihm, richtige Schläge, und wenn er so in Wut geraten wäre, wie ich es mir vorstelle, hätte er sich kaum zurückhalten oder beherrschen können. Zwei Schläge, und Marion wäre nicht mehr aufgestanden. Sie wäre bestimmt nicht bis in Bélas Zimmer gekommen, um sich dort die Waffe zu holen. Die Wahrheit? Die Wahrheit ist ein alter Mann. Er ist fast blind, aber hören, sagt er, kann er noch sehr gut. Er wohnt hier in der Nähe und führte an dem Donnerstagabend seinen Hund aus. Wenige Minuten vor acht kam er an»Bélas Musikstübchen«
vorbei. Ihm kam ein Mann entgegen. Erkannt hat er ihn nicht. Es war bereits dunkel, aber auch bei Tageslicht hätte er ihn vermutlich nicht erkannt. Er sah jedoch, dass der Mann zu unserem Haus ging. Er sah auch, dass hinter einem der oberen Fenster Licht brannte. So blind ist er doch nicht. Seiner Schilderung nach muss es sich um mein Arbeitszimmer gehandelt haben. Was die Uhrzeit angeht, ist der alte Mann sich völlig sicher, weil er pünktlich zur Tagesschau wieder in seiner Wohnung war. Und er hörte das Schnarren der Gegensprechanlage, hörte eine metallisch klingende Stimme, die nur ein Wort sagte:»Ja?«
Und die Stimme des Mannes:»Ich bin’s.«
Das muss Heinz gewesen sein. Ob Bélas Auto auf dem Parkplatz stand, konnte der alte Mann mir nicht sagen. Er wusste auch nicht, ob und von wem Heinz ins Haus gelassen wurde, darauf hat er nicht geachtet. Und was oder wer ihn da oben erwartete, wenn in meinem Arbeitszimmer Licht brannte. Es kann eigentlich nur Marion gewesen sein. Béla wäre doch mit ihr nicht in mein Arbeitszimmer gegangen. Es sind noch einige Fragen offen, für mich, nicht für die Polizei. Für Offermann ist der Fall anscheinend geklärt. Wir haben nichts mehr von ihm gehört. Wenn er noch einmal gekommen wäre und mir erzählt hätte, welche Spuren nun genau sie in meinem Schlafzimmer gesichert haben, müsste ich mir nicht mehr den Kopf zerbrechen. Aber so etwas tun sie ja nicht. Und ich denke mir, wenn sie in meinem Bett Spuren meines Mannes gefunden hätten, wäre Béla nicht ungeschoren geblieben. Nun versuche ich eben auf meine Weise, die letzten Antworten zu finden. Und ich habe ein paar gefunden, zu denen Offermann nicht einmal die Fragen gestellt hat, weil er Heinz nicht so kannte wie ich. Die letzten Szenen: Marion betritt
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