Bélas Sünden
Man durfte sogar annehmen, dass sie diese Wohnung nicht zum ersten Mal für ihre Zwecke nutzten. Dafür sprachen die Beweisstücke, die Liska in den letzten Wochen zusammengetragen hatte. In der eigenen Wohnung bestand immer die Gefahr, überrascht zu werden. Da waren Meta und die beiden jüngeren Schwestern. Der Rücksitz im Auto war auch nicht sehr bequem und nach dem Sommer zu kalt. Wie angenehm, ein Ausweichquartier zu haben, in das man jederzeit mit einem Schlüssel hineinkonnte, wenn die Dame des Hauses auf Reisen und ihr Mann mit seinen Gästen und der Musik beschäftigt war. Aber irgendwann las Meta die Buchtitel auf Liskas Schreibtisch, auch ein paar der Notizzettel, die da herumlagen. Es waren welche dabei, auf denen stand:»Er betrügt dich in deinem eigenen Bett. Er betrügt dich mit deiner eigenen Tochter.«
Deutlicher konnte man es nun wirklich niemandem unter die Nase reiben. Einen Verdacht hatte Meta vermutlich seit langem. Immerhin erlebte sie seit Jahren, dass die Tochter zum Vater ins Bett kroch. Dann hörte sie mehrfach, wie Liska herumtobte. Zu allem Überfluss fand sie die Bestätigung in Liskas Computer, und dann besorgte sie sich die Waffe. Wo die Pistole lag, wusste sie genau. Meta erschoss ihren Mann, verprügelte ihre Tochter, und damit war der Fall geklärt. Doch all das erfuhr ich erst später. Als sie hereinkamen, dachte ich, er sei verhaftet. Dass sie ihn nur noch einmal herbrachten, damit er ein paar Sachen packte. Ich meine, ich hätte aufgeschrien. Sonja warf mir einen unwilligen Blick zu. Sie stand neben mir hinter dem Tresen, hatte mich mehrfach bedrängt, wir sollten hinaufgehen und es uns dort gemütlich machen. Ich konnte nicht hinaufgehen. Meta hatte mein Bett frisch bezogen, Decken und Kissen aus dem Gästezimmer genommen. Nur die Flecken hatte sie nicht aus dem Teppich bekommen.»Hallo, Lissa«, sagte er betont lässig. Nenn mich nicht so, dachte ich. Bitte, nenn mich nicht so. Er war ruhig, kalt und beherrscht, wie schon der erste Satz zeigte.»Ich begleite die Herren hinauf. Bleibst du hier unten?«
Natürlich! Oder meinst du, ich könnte zusehen, wie du deine Zahnbürste aus dem Bad holst? Wie einer von ihnen dir auf Schritt und Tritt folgt? Ich nickte. Und er sagte:»Gut.«
Als sie auf die Tür zugingen, fing ich an zu zittern.»Béla!«, rief ich. Er drehte sich um. Offermann ebenfalls, der andere ging bereits in den Hausflur. Sonja griff nach meiner Hand, drückte sie hinter dem Tresen, wo die Männer es nicht sahen. – Es tut mir so Leid, Béla. Szeretlek. Ich wollte dich nicht betrügen. Ich will nicht, dass du gehst. – Ich wollte ihm so viel sagen und brachte doch kein Wort über die Lippen. Er wartete ein paar Sekunden, dann ging er zusammen mit Offermann hinaus. Sie gingen zu dritt in mein Arbeitszimmer, wo Béla den Computer einschaltete. Während Offermann sich am Bildschirm durch den Text kämpfte, sortierte sein Kollege die Seiten, die ich für Meta ausgedruckt und vom Boden aufgesammelt hatte. Béla ging in die Küche und machte Kaffee. Ich wusste nicht, was sie oben taten und warum es so lange dauerte, und wurde hinter dem Tresen fast verrückt. Sonja gab sich alle Mühe.»Jetzt reiß dich doch zusammen, Mama. Es ist nicht mehr zu ändern.«
Auch bei ihr war der Eindruck entstanden, er sei verhaftet. Sie hatte sie schließlich ankommen sehen. Die beiden Wagen. Béla neben Offermann im Dienstwagen, Bélas Wagen mit dem zweiten Beamten am Steuer dicht dahinter. Dann schimpfte sie auf Marion.»Dieses dumme Luder. Sie wusste genau, wie eifersüchtig Heinz war. Das hat sie mir immer erzählt, was für Szenen er ihr machte, wenn sie sagte, sie wolle ins Kino oder in die Disco. Und dass sie ihm das letzte Hemd ausziehen konnte, wenn sie nur so tat, als träfe sie sich mit einem Jungen. Darauf war sie auch noch stolz.«
Sonja schlug mehrfach mit den Fingerknöcheln auf den Tresen und nickte bekräftigend.»Jede Wette, sie hat es ihm selbst gesagt, Mama. Vielleicht nicht direkt, aber sie wusste ja, dass eine Andeutung reicht. Dann lag er vor ihr auf den Knien und hat gebettelt.«
Ich wollte nicht mehr über Heinz nachdenken und nicht über seine dumme, schöne Tochter.»Gehst du mal rauf und siehst nach, was sie da so lange machen? Ich halte das nicht aus.«
Sie schaute mich an, fast ein wenig Mitleid im Blick.»Soll ich dir irgendetwas mitbringen von oben? Nur damit ich nicht so reinplatze. Hast du nicht ein paar Tabletten im Bad? Etwas zur Beruhigung?
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