Bélas Sünden
Könnte dir nicht schaden.«
Ich schüttelte den Kopf, Sonja fluchte:»Mist, die Apotheken haben schon zu. Aber du solltest etwas nehmen, bevor du endgültig durchdrehst.«
»Ich mache uns noch einen Kaffee.«
»Ja, das ist genau das Richtige. Trink lieber einen Cognac.«
»Ich nehme mir einen Sherry. Gehst du jetzt, bitte?«
Sie ging nur widerstrebend, kam nach wenigen Minuten zurück, mit leeren Händen und verwirrter Miene.»Du sollst raufkommen, Mama. Dieser Offermann will mit dir reden.«
Nach einer kleinen Pause fügte sie hinzu:»Ich glaube, du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Sie sitzen gemütlich um deinen Computer herum und trinken Kaffee.«
Offermann saß auf meinem Stuhl vor dem Schreibtisch. Für sich und den anderen hatte Béla zwei Stühle aus der Küche geholt, für Sonja und mich holte er noch zwei vom Esstisch weg und stellte mir einen Aschenbecher bereit.»Kann ich sonst noch etwas für dich tun, Lissa?«
Er klang immer noch so kalt und distanziert. Ich liebe dich. Du musst es mir glauben. Ich habe dich auch in den Tagen in München geliebt. Und in den Nächten in Dierks Bett. In jeder Minute. Ich werde nie aufhören, dich zu lieben. Bevor ich ihm antworten konnte, erklärte Offermann mit der Andeutung eines Grinsens:»Am besten holen Sie Ihrer Frau die Sherryflasche, das hat ihr am Donnerstag auch geholfen.«
Er wurde sofort wieder ernst, schaute mich an, wies mit dem Daumen auf den Bildschirm.»Seit wann arbeiten Sie an dieser Sache, Frau Szabo?«
»Ich habe im Mai damit begonnen.«
Offermann nickte kurz, sein Kollege hörte voller Aufmerksamkeit zu, hielt dabei den Packen Papier mit einer Hand auf dem Schoß fest. Béla verließ das Zimmer, er holte mir tatsächlich eine ganze Flasche Sherry und ein Glas. Als er zurückkam, stellte Offermann gerade fest, dass ich über ein Kind geschrieben hatte, dessen Mutter starb, als es zwölf war.»Ich sehe da keine Ähnlichkeit zur Familie Böhring. Oder habe ich etwas übersehen?«
Sie hatten die ausgedruckten Seiten sortiert und festgestellt, dass eine fehlte. Béla hatte ihnen die Seite auf den Bildschirm geholt. Aber Offermann hatte sich nicht lange damit aufgehalten. Er hatte den Text zurücklaufen lassen und war auf die Beerdigung der Mutter gestoßen.»Fragen wir doch einmal anders«, sagte Offermann.»Es geht hier eindeutig um Kindesmissbrauch. Aber dieses Kind ist nicht Marion Böhring.«
»Nein«, sagte ich.»Wussten Sie, dass Herr Böhring ein Verhältnis mit seiner Tochter hatte?«
»Nein! Das hatte er nicht!«
Ich dachte mir schon, dass Béla es ihnen so serviert hatte, und protestierte lauter als notwendig. Offermann setzte zur nächsten Frage an, da sagte Sonja ruhig:»Ich wusste es. Bis vor gut zwei Jahren war ich viel bei den Böhrings. Ich habe auch häufig dort übernachtet, in Marions Zimmer. Sie verließ das Zimmer nachts oft und ging zu Heinz, zu ihrem Vater, meine ich. Ich fand das zwar nicht richtig, aber ich habe mir anfangs nichts dabei gedacht. Sie hat das als kleines Kind schon getan, sich zu ihm ins Bett gelegt, wenn er mit seiner Frau Streit hatte. Vor ein paar Monaten erzählte Marion mir dann, dass sie mit ihm schläft, seit sie fünfzehn ist. Sie war sehr stolz darauf, hatte schon früher oft davon gesprochen, dass sie eines Tages mit ihm weggehen will. Nach Amerika, das war eine fixe Idee von ihr. Und jetzt, meinte sie, hätte sie ihn in der Hand. Wenn er nicht will, sagte sie, kann ich ihn zwingen. Er weiß genau, dass er sich strafbar gemacht hat. Wenn er unbedingt hier bleiben will, von mir aus, aber dann nur im Knast.«
Ich konnte nur dabei sitzen, zuhören und mir wünschen, ich hätte noch so viel Mut gehabt, meiner Tochter den Mund zu verbieten. Hör auf, den armen Kerl mit Dreck zu bewerfen. Du weißt, dass das nicht stimmt. Das hätte Heinz niemals getan. Er musste sich doch nur Meta ansehen, um zu wissen, was dabei herausgekommen wäre. Doch da war Béla. Er saß rittlings auf einem Küchenstuhl und ließ mich nicht aus den Augen. Manchmal spielte so etwas wie ein Lächeln um seinen Mund. Ich wusste nicht, ob es zärtlich, schmerzlich oder abfällig war. Aber ich wusste, wenn er mich küsste, konnte ich alles vergessen, fast alles. So ein kleines, dummes Ding auf einem Tisch, das vielleicht nur ein bisschen mit dem Feuer spielen wollte, es war nicht der Rede wert. Sonja sprach weiter mit ihrer kühlen, unpersönlichen Stimme über Marions Wünsche, Pläne, Drohungen und Verrücktheiten.
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