Belgarath der Zauberer
quietschte vor Begeisterung und eilte ihrem alten Freund entgegen.
»Ihr seht gut aus, Majestät«, erwiderte er und legte den ihm verbliebenen Arm um ihre Schulter.
»Brendig, lacht Ihr denn niemals?«
»Ich lache, Majestät«, sagte er mit vollkommen unbewegter Miene.
»Hallo, Garion«, grüßte der bärtige Kapitän den rivanischen König. Kapitän Greldik hielt sich nicht mit Förmlichkeiten auf. Er sprach niemals jemanden mit dem Titel an.
»Greldik«, erwiderte Garion, als sie einander die Hände schüttelten.
»Du siehst älter aus.«
»Das hoffe ich. Wenn es anders wäre, würden die Leute mißtrauisch. Was bringt dich um diese Jahreszeit nach Riva?«
»Brendig«, erwiderte Greldik und warf dem sendarischen General einen finsteren Blick zu. »Er zerrte mich aus einer wirklich gemütlichen Schenke in Camaar, warf mich in die Bucht und bestand dann darauf, daß ich ihn hierher bringe, nach Riva. Brendig ist ein wenig zu sehr daran gewöhnt Befehle zu erteilen. Wäre er höflich genug gewesen, mit mir zu trinken, hätte ich mich womöglich einverstanden erklärt, ihm diesen Wunsch zu erfüllen, ohne daß er mir mein jährliches Bad hätte aufdrängen müssen.«
»Kapitän Greldik!« sagte Ce’Nedra scharf. »Seid Ihr nüchtern?«
»Mehr oder weniger«, erwiderte Greldik mit einem Achselzucken. »Es war ein bißchen windig da draußen, also mußte ich darauf achten, was ich tat Ich sehe, daß du ein wenig zugelegt hast, Mädchen. Das steht dir. Du warst vorher recht dünn.«
Die rivanische Königin errötete tatsächlich. Der Kapitän schien sie mit seinen offenen Worten stets aus der Reserve zu locken. Greldik war ein freier Mann, und er sagte für gewöhnlich, was ihm einfiel, ohne auf Anstand oder auch nur Höflichkeit zu achten.
»Was gibt es so Wichtiges, daß ihr mitten im Winter das Meer der Stürme überquert, General?« fragte Garion den sendarischen Soldaten.
»Prinz Hettar brachte einen Stapel Dokumente zum Palast in Sendar, Majestät«, erwiderte Brendig. »Sie stammen vom heiligen Belgarath, und er wollte, daß sie sofort an Euch weitergeleitet werden. Es sind auch ein paar Briefe dabei.«
»Nun, endlich!« sagte Ce’Nedra. »Ich dachte schon, der alte Schatz würde ewig brauchen, um damit fertig zu werden. Er ist jetzt seit fast einem Jahr damit beschäftigt!«
»Ist es wirklich so wichtig, Majestät?« fragte Brendig Garion.
»Es ist ein Geschichtsbuch, General«, erwiderte Garion.
»Ein Geschichtsbuch!« Brendig schien verwirrt.
»Es hat eine besondere Bedeutung für meine Familie. Meine Frau ist aus irgendeinem Grund äußerst interessiert daran. Aber sie ist Tolnedrerin, und ihr wißt ja, wie Tolnedrer sind. Laßt uns doch hineingehen, das Wetter ist wirklich nicht das beste.«
»Erzähl mir, Garion«, sagte Greldik, als sie den Platz zur rivanischen Festung überquerten, »hast du dort drinnen vielleicht irgend etwas Trinkbares?«
Belgarion von Riva, Göttertöter und König der Könige des Westens, las die letzte Seite des Textes, den sein Großvater verfaßt hatte, mit gewisser Ehrfurcht und nicht ohne Verwunderung, als sein Begriff von der Welt, wie er sie kannte, sich ein wenig zurechtrückte. So viel war geschehen, von dem er nichts wußte. Die Bedeutung von Ereignissen, die beinahe unbemerkt vonstatten gegangen waren, erschien plötzlich klar und deutlich in seinem Blickfeld, als er über das eben Gelesene nachdachte. Er erinnerte sich an viele Gespräche mit seinem Großvater, in deren Verlauf sie das ›Mögliche‹ und ›Unmögliche‹ diskutiert hatten, und nun wurde ihm die Bedeutung dieser scheinbar beiläufigen Unterhaltungen klar. Belgarath hatte die Welt in die Hand genommen und ihre Fundamente erschüttert, aber er war in erster Linie Lehrer.
Garion mußte sich reumütig eingestehen, daß er kein sehr guter Schüler gewesen war. Belgarath erzählte ihm immer wieder geduldig, was wirklich geschehen war, und er, Garion, hatte das Wesentliche nicht verstanden. »Vielleicht sollte ich mich aufmerksamer meinen Studien widmen«, murmelte er und schaute zu den mit Büchern und Schriftrollen vollgestopften Regalen hinauf, die die Wände seines kleinen Studierzimmers füllten. »Und vielleicht brauche ich etwas mehr Platz«, fügte er hinzu. Plötzlich sah er im Geiste Belgaraths Turm vor sich, und diese Vorstellung erschien ihm so wirklich, daß er sich geradezu danach sehnte. Er brauchte einen Raum für sich, wo er das, was er lernte, in Ruhe auf sich einwirken
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