Sturmfahrt der Liebe: Er war der König der Meere - und sie die Herrscherin seines Herzens (German Edition)
Kapitel 1
Auf dem Atlantik, 1790
M iss Adams, ich werde Ihnen nicht helfen, das Kommando über dieses Schiff zu übernehmen«, sagte Evangeline entschieden.
Die wunderschöne Frau auf der anderen Pritsche lächelte. »Aber gewiss werden Sie, Miss Clemens. Es ist bereits alles arrangiert. Ihr Stiefbruder steht auf unserer Seite, also bleibt Ihnen gar keine andere Wahl.«
Evangeline bekam Angst. »Nun, wie dem auch sei, ich kann Ihnen ohnehin keine Hilfe sein. Ich verstehe nicht das Geringste davon, wie man Gefängnisse erstürmt oder Piraten rettet. Ich kenne mich mit Gartengestaltung, Geographie und gesellschaftlicher Etikette aus.«
»Was Ihnen bisher ja eine Menge genützt hat. Sehen Sie sich doch an! Sie segeln nach Amerika, wo Sie als Gouvernante versauern werden.« Anna beugte sich vor, um den schmalen Spalt zwischen den beiden Pritschen zu überbrücken. »Boston ist öde, und Gouvernante zu sein ist noch öder. Kommen Sie mit mir, und sehen Sie sich die Welt an! Sebastian hat viele Freunde. Vielleicht findet ja einer davon Gefallen an Ihnen – schlicht, wie Sie sind.«
»Ich habe nicht den Wunsch, einen Piraten zu ehelichen, nein danke! Schon gar nicht, wenn es mich zu solch übereilten Schritten nötigt, wie Sie sie zu unternehmen im Begriff sind.«
Anna lachte. »Ich habe niemals behauptet, dass ich Sebastian geheiratet hätte. Er ist mein Liebhaber, meine Teure, und darbt in einem fauligen Kerker in Havanna, aus dem ich ihn befreien werde.«
Evangeline vergrub sich tiefer in ihre enge Pritsche, weil sie so viel Abstand wie möglich zwischen sich und dem Übel schaffen wollte, das die andere Dame offenbar verkörperte. »Nun, dann bitte ich vielmals um Verzeihung. Sie dürfen mich gern an ein vorbeikommendes Schiff übergeben, wenn Sie wollen.«
»Damit Sie meine Pläne jedem gegenüber ausplaudern, der Ihnen zuhört? Das ist höchst unwahrscheinlich, Miss Clemens. Kommen Sie mit mir! Was für ein Leben können Sie denn erwarten, wenn Sie auf die Blagen einer anderen Frau aufpassen? Lieutenant Foster steht auf meiner Seite. Er wird die Mannschaft zur Meuterei überreden und das Schiff nach Havanna bringen. Dort verkaufen wir die Fracht zu einem hübschen Preis. Sie dürfen sich Ihren Anteil nehmen, um sich schöne Kleider zu kaufen und nach Gloucestershire zurückzukehren, wo Sie Ihrem notorisch untreuen Harley Ihren Reichtum unter die Nase halten.«
Evangeline dachte tatsächlich kurz an ihren Verlobten, den sie in eindeutiger Pose mit dem Zimmermädchen und noch dazu in ihrem, Evangelines, Bett ertappt hatte. In ihrem Schmerz hatte sie die Verlobung aufgekündigt. Ihre Mutter und ihr Stiefvater waren entrüstet gewesen, war Harley doch so eine gute Partie, wie sie sagten, und schließlich hätten alle Männer ihre Mätressen.
Dennoch verblasste ihre Entrüstung an jenem Tag gegenüber der, die sie nun empfand, als diese wunderschöne Frau ihr ihren Willen aufzwingen wollte.
»Allmählich beginne ich zu glauben, es wäre doch besser gewesen, ich hätte Harley geheiratet.«
»Ja, das hätten Sie tun sollen, um ihn dann zu erschießen und sich einen Liebhaber zu nehmen, während Sie auskömmlich von Ihrem Witwenanteil leben.«
»Ah ja, natürlich. Daran hätte ich denken müssen!«
Anna lächelte. »Sie können ihn dafür bezahlen lassen, meine Teure. Sebastian und seine Freunde werden sich um ihn kümmern, falls Sie es wünschen. Oder aber Sie lassen ihn ausharren, bis er bereut, was er Ihnen angetan hat.«
Das Schiff hob und senkte sich ächzend im Wellengang, wobei die abrupten Fallbewegungen dafür sorgten, dass Evangelines Magen sie verließ.
»Miss Adams, ich kann Ihnen nicht helfen. Wenn Sie unbedingt nach Havanna und Ihren Piraten aus dem Kerker befreien wollen, ist das Ihre Angelegenheit. Und es ist die meines Stiefbruders, sollte er gewillt sein, Sie in Ihrem Vorhaben zu unterstützen. Ich für meinen Teil jedoch will bloß Boston erreichen.«
Annas Lächeln schwand. »Sie kleine Närrin! Glauben Sie, ich würde mich nach Ihren Plänen richten und Sie einfach gehen lassen?«
»Sie … Sie können mich in meiner Kabine einschließen, falls nötig – obwohl ich ein wenig seekrank werde, wenn ich mich zu lange unter Deck aufhalte.«
»Nun, Sie traurige Jungfer, Ihnen bleibt lediglich eine Wahl, und die ist, mir zu helfen, ob bereitwillig oder nicht! Falls bereitwillig, lasse ich Sie am Leben. Falls nicht bereitwillig, nicht. Wenn Sie wünschen, kann ich auch zuerst Ihren
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