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Belladonna

Belladonna

Titel: Belladonna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
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noch kümmerlicher aus als in seinen schwarzen Jeans und seinem Hemd. Er schlurfte in den passend orangefarbenen Slippers, und sein Haar war noch immer nass von der Dusche mit dem Wasserschlauch, die Jeffrey angeordnet hatte. Gordon waren die Hände hinter dem Rücken gefesselt, und bevor er den Raum verließ, gab Brad Jeffrey den Schlüssel.
    «Wo ist mein Anwalt?», wollte Gordon wissen.
    «Der müsste in ungefähr einer Viertelstunde hier sein», antwortete Jeffrey und stieß den Studenten auf einen Stuhl. Er schloss die Handschellen auf, aber bevor Gordon seine Arme bewegen konnte, hatte er sie ihm auch schon wieder durch die
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    Stuhllehne gefesselt.
    «Die sind zu eng», jammerte Gordon und streckte die Brust vor, um darauf hinzuweisen, wie unbequem er saß. Er riss am Stuhl, aber seine Hände blieben eng an seinem Rücken.
    «Damit musst du leben», murmelte Jeffrey und sagte dann zu Lena: «Ich lasse Sie hier mit ihm allein. Sorgen Sie dafür, dass er keine inoffizielle Aussage macht. Haben Sie mich verstanden?»
    Lena schlug die Augen nieder. «Ja, Sir.»
    «Ich meine, was ich sage, Detective.» Er hoffte, dass der Blick, den er ihr zuwarf, streng genug wirkte, und verließ das Zimmer. Auf dem Flur nahm er dann gleich die nächste Tür und betrat den Beobachtungsraum. Mit verschränkten Armen stand er da und beobachtete Gordon und Lena durch die nur von einer Seite durchsichtige Scheibe.
    Das Verhörzimmer war relativ klein, und seine Wände bestanden aus gestrichenen Zementsteinen. In der Mitte war ein Tisch im Boden verankert, und um ihn herum standen drei Stühle: zwei auf der einen Seite, einer auf der anderen. Jeffrey sah, wie Lena die Zeitung zur Hand nahm. Sie stützte die Füße gegen die Tischkante und kippte den Stuhl ein wenig nach hinten. Sie schlug den Grant County Observer auf. Jeffrey hörte den Lautsprecher neben sich leise knistern, als sie die Zeitung am Mittelfalz glatt strich.
    Gordon sagte: «Ich will Wasser.»
    «Nicht reden», befahl Lena mit so leiser Stimme, dass Jeffrey den Lautsprecher an der Wand aufdrehen musste, um sie zu verstehen.
    «Wieso? Kriegen Sie sonst Ärger?»
    Lena blickte nicht aus der Zeitung auf.
    «Den Ärger haben Sie verdient», sagte Gordon und beugte sich so weit auf seinem Stuhl vor, wie die Handfesseln es
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    erlaubten. «Ich werd dem Anwalt sagen, dass Sie mich geschlagen haben.»
    Lena lachte herablassend. «Wie viel wiegst du?
    Fünfundsiebzig Kilo? Und du bist ungefähr eins siebzig groß.»
    Sie legte die Zeitung zur Seite und betrachtete ihn mit Unschuldsmiene. Ihre hohe Stimme klang wie die eines kleinen Mädchens. «Euer Ehren, ich würde doch niemals einen Verdächtigen schlagen, der sich in meinem Gewahrsam befindet. Und außerdem ist er so groß und stark, da hätte ich doch Angst um mein Leben gehabt.»
    Gordons Augen wurden zu Schlitzen. «Sie halten sich wohl für besonders witzig.»
    «Yeah», sagte Lena gedehnt und wandte sich wieder ihrer Zeitung zu. «Tu ich wirklich.»
    Gordon brauchte ein, zwei Minuten, bis er sich eine neue Taktik ausgedacht hatte. Er wies auf die Zeitung. «Sie sind die Schwester von der Lesbe da.»
    Lenas Stimme klang noch immer entspannt, wenngleich Jeffrey wusste, dass sie am liebsten über den Tisch geklettert wäre und Gordon umgebracht hätte. Sie sagte: «Bin ich.»
    «Sie ist umgebracht worden», sagte er. «Jeder auf dem Campus wusste, dass sie eine Lesbe war.»
    «Das war sie zweifellos.»
    Gordon leckte sich die Lippen. «Verschissene Lesbe.»
    «Genau.» Lena blätterte um und gab sich den Anschein, gelangweilt zu sein.
    «Lesbe», wiederholte er. «Verschissene Fotzenleckerin.» Er hielt inne und wartete auf eine Reaktion, sichtbar verstört, dass keine kam. Er sagte: «Spaltentaucherin.»
    Lena seufzte gelangweilt. «Bärenkraulerin, bedient sich am liebsten im Bermudadreieck, wählt die Null auf dem kleinen rosa Telefon ihrer Freundin.» Sie unterbrach sich, sah ihn über
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    die Zeitung hinweg an und fragte dann: «Hab ich was vergessen?»
    Jeffrey lernte Lenas Verhörtechnik immer mehr schätzen, dankte aber stillschweigend dem Himmel, dass sie sich nicht für eine Verbrecherlaufbahn entschieden hatte.
    Gordon sagte: «Deswegen habt ihr mich hierher gebracht, stimmt's? Ihr glaubt, dass ich sie vergewaltigt habe?»
    Lena ließ die Zeitung nicht sinken, aber Jeffrey vermutete, dass ihr Herzschlag sich wahrscheinlich ebenso beschleunigt hatte wie der seine. Vielleicht hatte Gordon ja nur

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