Belladonna
angestrengt geradeaus, als sie an der Grant Filling Station vorbeifuhr, denn sie wollte nicht zu sehr an den gestrigen Nachmittag erinnert werden. Sie war so sehr darauf bedacht, die Seite der Straße zu meiden, dass sie beinahe Jeb McGuire überfahren hätte, der vor der Apotheke auf die Straße kam.
Sara hielt neben ihm an und entschuldigte sich: «Tut mir Leid.»
Jeb lachte gut gelaunt, als er zu ihrem Wagen gelaufen kam. «Versuchst wohl, dich um unsere Verabredung für morgen zu drücken?»
«Aber natürlich nicht», bekam Sara heraus und zwang sich zu einem Lächeln. Bei allem, was am Tag zuvor geschehen war, hatte sie völlig ihre Zusage vergessen, mit ihm auszugehen. Sie hatte sich ab und zu mit Jeb getroffen, als er vor elf Jahren nach Grant gezogen war und die Apotheke der Stadt gekauft hatte. Zwischen ihnen hatte sich nichts Ernstes entwickelt, und ihre Beziehung hatte sich bereits ziemlich abgekühlt, als Jeffrey auf der Bildfläche erschienen war. Warum sie sich einverstanden erklärt hatte, nach all der Zeit wieder mit ihm auszugehen, konnte Sara nicht sagen.
Jeb strich sich die Haare aus der Stirn. Er war ein schlaksiger Mann mit der Figur eines Langstreckenläufers. Tessa hatte seinen Körper einmal mit Saras Greyhounds verglichen. Er sah jedoch gut aus und musste ganz sicher nicht allzu lange suchen, wenn er eine Frau finden wollte, die mit ihm ausging.
Er beugte sich über Saras Wagen und fragte: «Hast du dir überlegt, was du zu Abend essen möchtest?»
Sara zuckte die Achseln. «Ich kann mich nicht entscheiden», log sie. «Also überrasch mich.»
Jeb zog eine Augenbraue in die Höhe. Cathy Linton hatte Recht. Sie war eine furchtbar schlechte Lügnerin.
«Ich weiß, in was du gestern hineingeraten bist», begann er und deutete in Richtung des Diner. «Ich könnte gut verstehen, wenn du mir absagen möchtest.»
Sara spürte, wie ihr Herz bei dem Angebot schneller zu schlagen begann. Jeb McGuire war ein netter Mann. Als Apotheker der Stadt erfreute er sich eines gewissen Maßes an Vertrauen und Respekt bei den Leuten, die er bediente. Zudem sah er recht gut aus. Das einzige Problem bestand darin, dass er eben zu nett war, zu gefällig. Sie hatten sich noch nie gestritten, weil er sich für nichts wirklich engagieren konnte. Und deswegen sah Sara in ihm auch viel eher eine Art Bruder als einen potenziellen Liebhaber.
«Ich will aber nicht absagen», erwiderte sie, und seltsamerweise wollte sie auch nicht. Vielleicht würde es ihr gut tun, öfter auszugehen. Vielleicht hatte Tessa ja Recht. Vielleicht war es an der Zeit.
Jeb strahlte. «Wenn es nicht zu kalt ist, könnte ich mein Boot klarmachen und dich mit auf den See nehmen.»
Sie sah ihn neckisch an. «Ich dachte, vorm nächsten Jahr wolltest du dir keins kaufen?»
«Geduld war nie meine Stärke», erwiderte er, obwohl die Tatsache, dass er sich mit Sara unterhielt, das Gegenteil bewies. Er zeigte mit einer ruckartigen Bewegung des Daumens in Richtung Apotheke, um anzudeuten, dass er gehen musste. «Ich seh dich dann gegen sechs, okay?»
«Sechs», bestätigte Sara. Sie hatte das Gefühl, dass etwas von seiner Vorfreude auf sie abfärbte. Sie fuhr an, während er zu seiner Apotheke trabte. Marty Ringo, die bei ihm als Kassiererin arbeitete, stand am Eingang, und er legte ihr den Arm um die Schulter, als er die Tür aufschloss.
Sara rollte auf den Parkplatz der Klinik. Die Heartsdale Children's Clinic war ein rechteckiges Gebäude, an dessen Front sich ein achteckiger Raum aus Glasbausteinen wölbte, der den Patienten als Wartebereich diente. Man konnte von Glück sagen, dass Dr. Barney, der das Gebäude persönlich entworfen hatte, als Arzt mehr Qualitäten besaß denn als Architekt. Der Raum an der Vorderfront lag nach Süden, und die Glasbausteine machten ihn im Sommer zu einem Backofen und im Winter zu einem Gefrierschrank. Man wusste von Patienten, deren Fieber extrem anstieg, und anderen, bei denen es steil abfiel, je nachdem zu welcher Jahreszeit sie auf ihren Arzt warten mussten.
Das Wartezimmer war kühl und leer, als Sara die Tür öffnete. Sie sah sich in dem düsteren Raum um und dachte nicht zum ersten Mal, dass sie ihn eigentlich mal renovieren musste. Stühle, die man kaum anders als rein zweckdienlich bezeichnen konnte, waren für die kleinen Patienten und ihre Eltern aufgestellt. Sara und Tessa hatten, begleitet von Cathy so manchen Tag auf diesen Stühlen verbracht und darauf gewartet, dass ihre Namen aufgerufen
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