Belladonna
verständnislos den Kopf. «Was?»
«Damit war ich nämlich gestern Abend beschäftigt - mit der Autopsie.»
«Was?», wiederholte er. «Du kannst doch keine Autopsie machen, ohne dass noch jemand dabei ist.»
«Das weiß ich auch, Jeffrey», blaffte Sara zurück und schlug die Arme übereinander. Eine Person, die ihre Kompetenz anzweifelte, reichte ihr für zwölf Stunden voll und ganz. Sie sagte: «Deswegen habe ich ja Brad Stephens angerufen.»
«Brad Stephens?» Er drehte ihr den Rücken zu und murmelte leise einen Kommentar, während er Billy unter dem Kinn kraulte.
«Was hast du gesagt?»
«Dass du dich in letzter Zeit seltsam benimmst, habe ich gesagt.» Er drehte sich wieder um und sah sie an. «Du hast die Autopsie mitten in der Nacht vorgenommen?»
«Tut mir Leid, wenn du das eigenartig findest, aber ich habe nun mal zwei Jobs, um die ich mich kümmern muss, nicht nur den für dich.» Er wollte sie unterbrechen, aber sie ließ sich nicht beirren. «Für den Fall, dass du es vergessen hast: Zusätzlich zu dem, was ich im Leichenschauhaus tue, habe ich noch eine Klinik voller Patienten. Patienten, die ich, nebenbei gesagt» - sie sah auf ihre Uhr, ohne wirklich zu registrieren, wie spät es war -, «in ein paar Minuten aufsuchen muss.» Sie stemmte die Hände in die Hüften. «Gab es einen bestimmten Grund, weswegen du vorbeigekommen bist?»
«Ich wollte nach dir sehen», sagte er. «Offenbar ist alles in Ordnung. Das sollte mich auch nicht überraschen. Bei dir ist ja immer alles in Ordnung.»
«Stimmt.»
«Sara Linton, die Frau aus Stahl.»
Sie warf ihm einen herablassenden Blick zu. Sie hatten diese Szene zur Zeit ihrer Scheidung so oft durchgespielt, dass sie die Argumente beider Seiten auswendig hätte hersagen können. Sara war zu eigenmächtig. Jeffrey war zu fordernd.
Sie sagte: «Ich muss gehen.»
«Moment mal», sagte er. «Der Bericht?»
«Hab ich dir bereits gefaxt.»
Jetzt war es an ihm, die Hände in die Hüften zu stemmen. «Ja, hab ich kapiert. Meinst du, du hast was gefunden?»
«Ja», antwortete sie und fügte dann hinzu: «Nein.» Abwehrend kreuzte sie die Arme. Es war ihr zuwider, wenn er mitten aus einem Streit heraus auf etwas kam, das mit der Arbeit zu tun hatte. Es war ein billiger Trick, aber dennoch erwischte er sie stets kalt damit. Sie fing sich und sagte: «Ich muss noch die Ergebnisse der Blutuntersuchung heute Morgen abwarten. Nick Shelton will mich um neun anrufen, dann kann ich dir mehr sagen.» Sie fügte hinzu: «Ich hab das auf der Seite 1 meines Berichts notiert.»
«Warum hast du aus der Blutuntersuchung einen Eilauftrag gemacht?», fragte er. «Instinkt», antwortete Sara. Mehr wollte sie ihm im Moment nicht verraten. Sara widerstrebte es, Teilinformationen weiterzugeben. Sie war schließlich Ärztin und keine Wahrsagerin. Jeffrey wusste das sehr wohl.
«Geh es mit mir durch», sagte er. Sara stützte wieder die Hände in die Hüfte. Nein, das wollte sie nicht. Trotzdem sah sie zur Treppe und vergewisserte sich, dass niemand zuhörte.
«Lies den Bericht», sagte sie.
«Bitte», sagte er trotzdem. «Ich will es von dir hören.»
Sara lehnte sich an die Wand. Für einen Sekundenbruchteil schloss sie die Augen. Nicht, weil sie sich der Tatsachen entsinnen wollte, sondern um ein wenig Distanz zu dem zu gewinnen, was sie wusste.
Sie fing an: «Sie wurde auf der Toilette überfallen. Wahrscheinlich war sie wegen ihrer Blindheit und des Überraschungsmoments leicht zu überwältigen. Ich glaube, er hat gleich zu Anfang auf sie eingestochen, hat ihr T-Shirt hochgehoben und mit seinem Messer das Kreuz geritzt. Der Schnitt in ihren Bauch kam zuerst. Er ist für ein vollständiges Eindringen nicht tief genug. Ich vermute, er hat seinen Penis hauptsächlich eingeführt, um sie zu beschmutzen. Dann hat er sie vaginal vergewaltigt, wodurch sich die Kotspuren erklären ließen, die ich dort gefunden habe. Ich bin nicht sicher, ob er ejakuliert hat. Und ich denke auch nicht, dass es ihm darum gegangen ist.»
«Du meinst also, es ging ihm viel eher um die Schändung?»
Sie zuckte die Achseln. Viele Vergewaltiger litten unter irgendeiner Form sexueller Funktionsstörung. Sie wusste nicht, warum es bei diesem anders sein sollte. Besonders das Eindringen in die Bauchhöhle wies doch deutlich darauf hin.
Sie sagte: «Vielleicht geht es um den Kick, es an einem halb öffentlichen Ort zu tun. Auch wenn die Mittagsgäste fast alle gegangen waren, hätte doch jemand
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