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Belladonna

Belladonna

Titel: Belladonna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
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Wissenschaftlerin», sagte Richard. Er beugte sich über ein Mikroskop, murmelte etwas vor sich hin und hob wieder den Kopf. Zu Lena sagte er: «Sie besaß ein erstaunliches Gedächtnis.»
    «Das brauchte sie auch», sagte Lena und zog ihr Notizbuch hervor. Jeffrey fragte sich nicht zum ersten Mal, ob er gut daran tat, Lena mitzunehmen. In der Hauptsache ging es ihm darum, sie unter Kontrolle zu haben. Nach gestern wusste er nicht, ob er darauf vertrauen konnte, dass sie auch tat, was er ihr auftrug. Es war bestimmt besser, sie in sicherer Nähe zu haben, als ihr zu gestatten, auf eigene Faust loszuziehen.
    «Ihre Arbeit», legte Richard los. «Ich kann kaum beschreiben, wie penibel genau sie war, wie akribisch. Heutzutage erlebt man nur noch sehr selten in diesem Fachbereich ein Engagement von diesem Standard. Sie war meine Mentorin.»
    «Genau», sagte Lena.
    Richard sah sie sauertöpfisch und missbilligend an. Dann fragte er: «Wann ist die Beerdigung?»
    Lena schien bei dieser Frage einen Moment die Fassung zu verlieren. «Sie wird eingeäschert», sagte sie. «Das war ihr Wunsch.»
    Richard verschränkte die Hände vor dem Bauch. Er schaute immer noch missbilligend drein. Es wirkte beinahe schon herablassend. Für einen ganz kurzen Augenblick meinte Jeffrey etwas anderes hinter diesem Ausdruck wahrgenommen zu haben. Richard drehte sich jedoch um, und Jeffrey fragte sich, ob er nicht zu viel in die Situation hineininterpretiert hatte.
    Lena begann: «Heute Nachmittag gibt es - ich glaube, so nennt man es - eine Totenwache.» Sie kritzelte etwas auf ihren Block und riss dann das Blatt heraus. «Und zwar um fünf Uhr im Beerdigungsunternehmen Brock in der King Street.»
    Richard warf von oben herab einen Blick auf das Stück Papier, faltete es zweimal säuberlich zusammen und steckte es dann in die Tasche seines Laborkittels. Er schniefte und wischte sich mit dem Handrücken die Nase ab. Jeffrey wusste nicht zu sagen, ob er erkältet war oder versuchte, nicht in Tränen auszubrechen.
    Lena fragte: «Also, ist jemand Fremdes hier im Labor oder in Sibyls Büro aufgetaucht?»
    Richard schüttelte den Kopf. «Nur die ganz normalen Gestörten.» Er lachte los, hielt aber urplötzlich wieder inne. «Das war wohl ziemlich unpassend.»
    «Ja», sagte Lena, «war es.»
    Jeffrey räusperte sich, um die Aufmerksamkeit des jungen Mannes zu wecken. «Wann haben Sie sie zum letzten Mal gesehen, Richard?»
    «Nach ihrer Morgenvorlesung», sagte er. «Sie fühlte sich nicht wohl. Ich glaube, ich hab mir die Erkältung bei ihr eingefangen.» Er holte zur Bekräftigung ein Papiertaschentuch hervor. «Sie war ein so wundervoller Mensch. Ich kann Ihnen gar nicht sagen, ein wie großes Glück es für mich war, dass sie mich unter ihre Fittiche nahm.»
    «Was haben Sie gemacht, nachdem sie das Institut verließ?», fragte Jeffrey.
    Er zuckte die Achseln. «Bin wahrscheinlich in die Bibliothek gegangen.»
    «Wahrscheinlich?», fragte Jeffrey, dem der saloppe Ton gar nicht gefiel.
    Richard schien sofort zu merken, dass Jeffrey ungehalten war. «Ich war in der Bibliothek», lenkte er ein. «Sibyl hatte mich gebeten, einige Verweise nachzuschlagen.»
    Und schon übernahm Lena wieder. «Gab es jemanden, der sich in ihrer Gegenwart seltsam verhalten hat? Vielleicht öfter als gewöhnlich aufgetaucht ist?»
    Richard schürzte die Lippen und schüttelte wieder den Kopf. «Eigentlich nicht. Wir haben schon mehr als die Hälfte des Semesters hinter uns. Sibyl hat die fortgeschrittenen Studenten, und die meisten von denen sind schon mindestens zwei Jahre hier.»
    «Neue Gesichter?», fragte Jeffrey.
    Wieder schüttelte Richard den Kopf. Irgendwie erinnerte er Jeffrey an einen von diesen Hunden mit Wackelkopf, die manche Leute auf ihr Armaturenbrett stellen.
    Richard sagte: «Wir sind hier eine kleine Gemeinschaft. Jemand, der sich seltsam verhält, würde auffallen.»
    Jeffrey wollte noch eine weitere Frage stellen, als Kevin Blake, der Dekan des College, den Raum betrat. Er sah nicht gerade glücklich aus.
    «Chief Tolliver», sagte Blake, «ich nehme an, Sie sind wegen der vermissten Studentin hier.»
    Julia Matthews war dreiundzwanzig Jahre alt, studierte im Hauptfach Physik und war im vorletzten Jahr vor ihrem Abschluss. Nach Aussagen ihrer Zimmergenossin war sie schon seit zwei Tagen verschwunden.
    Jeffrey ging im Wohnheimzimmer der jungen Frau umher. An den Wänden hingen Plakate mit aufbauenden Sinnsprüchen zu Erfolg und Sieg. Auf einem

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