Benedikt XVI
Besinnung.
Zeit für den Wechsel. Zeit für Umkehr. Und unbeirrbar hält er fest: "Es
gibt so viele Probleme, die alle gelöst werden müssen, die aber alle nicht
gelöst werden, wenn nicht im Zentrum Gott steht und neu sichtbar wird in der
Welt."
An dieser
Frage, "ob Gott da ist - der Gott Jesu Christi - und anerkannt wird, oder
ob er verschwindet", entscheide sich heute, "in dieser dramatischen
Situation, das Geschick der Welt".
Für
heutigen Lifestyle sind Positionen, wie sie von der katholischen Kirche
vertreten werden, zu einer ungeheuren Provokation geworden. Wir haben uns angewöhnt,
traditionelle, erprobte Standpunkte und Verhaltensweisen als etwas zu
betrachten, was man zugunsten billiger Trends besser brechen sollte. Das
Zeitalter des Relativismus jedoch, glaubt der Papst, einer Weltanschauung, "die
nichts als endgültig anerkennt und als letzten Maßstab nur das eigene Ich und
seine Wünsche gelten lässt", neige sich dem Ende zu. Heute wächst jedenfalls
die Schar derjenigen, die an dieser Kirche nicht nur ihre Liturgie schätzen,
sondern auch ihre Widerständigkeit; und inzwischen wird nach vielfachem Wir-tun-nur-so-als-ob der Bewusstseinswandel deutlich,
christliches Zeugnis wieder ernst zu nehmen und seine Religion auch authentisch
zu leben.
Was den
Papst selbst betrifft: "Wie ist es", wurde ich gefragt, "wenn
man ihm plötzlich ganz nah gegenübersitzt?" Ich musste an Emile Zola
denken, der in einem seiner Romane einen Priester beschreibt, der zitternd und
nahezu gelähmt auf eine Audienz bei Leo XIII. wartet. Nun, bei Benedikt XVI.
muss niemand zittern. Er macht es dem Besucher ausgesprochen leicht. Da ist
kein Kirchenfürst, sondern ein Kirchendiener, ein großer Gebender, der sich in
seinem Geben ganz ausschöpft.
Manchmal
schaut er einen ein wenig skeptisch an. So über die Brille. Ernst, aufmerksam.
Und wenn man ihm so zuhört und neben ihm sitzt, dann spürt man nicht nur die
Präzision seines Denkens und die Hoffnung, die aus dem Glauben kommt, sondern
dann wird auf besondere Weise ein Glanz vom Licht der Welt sichtbar, vom Antlitz
Jesu Christi, der jedem Menschen begegnen will und niemanden ausschließt.
München, am 15. Oktober 2010
Peter Seewald
Teil 1
ZEICHEN
DER ZEIT
Päpste
fallen nicht vom Himmel
Heiliger Vater, am 16. April 2005,
Ihrem 78. Geburtstag, verkündeten Sie Ihren Mitarbeitern, wie sehr Sie sich
jetzt auf Ihren Ruhestand freuten. Drei Tage später waren Sie das Oberhaupt der
universalen Kirche mit 1,2 Milliarden Mitgliedern. Nicht gerade eine Aufgabe,
die man sich für das hohe Alter aufspart.
Ich hatte eigentlich erwartet,
endlich Frieden und Ruhe zu finden. Dass ich mich plötzlich dieser gewaltigen
Aufgabe gegenüber sah, war, wie alle Leute wissen, ein Schock für mich. Die
Verantwortung ist in der Tat ungeheuerlich.
Es gab die Minute, von der Sie
später sagten, Sie fühlten regelrecht ein "Fallbeil" auf sich
herunter sausen.
Ja, der Gedanke an die Guillotine
ist mir gekommen: Jetzt fällt sie herunter und trifft dich. Ich war mir ganz
sicher gewesen, dass dieses Amt nicht meine Bestimmung ist, sondern dass Gott
mir jetzt, nach anstrengenden Jahren, etwas Frieden und Ruhe gewähren wird.
Ich konnte da nur sagen, mir klar machen: Der Wille Gottes ist offenbar anders,
und es beginnt etwas ganz Anderes, Neues für mich. Er wird mit mir sein.
Im sogenannten "Zimmer der
Tränen" liegen bei einem Konklave schon mal drei Gewänder für den
künftigen Papst bereit. Eines ist
lang, eines kurz, eines mittel. Was ging Ihnen in diesem Zimmer, in dem so
mancher neue Pontifex schon zusammengebrochen sein soll, durch den Kopf? Fragt
man sich spätestens hier noch einmal: Warum ich? Was will Gott von mir?
Eigentlich ist man in diesem Moment erst einmal durch ganz
praktische, äußere Dinge in Anspruch genommen. Man muss schauen, wie man mit
den Gewändern zu Rande kommt, und dergleichen. Zudem wusste ich, ich werde
gleich vorne auf dem Balkon einige Worte sprechen müssen, und habe begonnen zu
überlegen, was ich sagen kann. Im Übrigen konnte ich schon in dem Augenblick,
in dem es mich getroffen hatte, einfach zum Herrn nur sagen: "Was tust Du
mit mir? Jetzt hast Du die Verantwortung. Du musst mich führen! Ich kann es
nicht. Wenn Du mich gewollt hast, dann musst Du mir auch helfen!"
In diesem
Sinn stand ich, sagen wir, in einem dringenden Dialogverhältnis mit dem Herrn
- dass er, wenn er das eine tut, auch das andere tun
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