Benedikt XVI
den Konflikt
suchen, das ist klar, sondern im Grunde den Konsens, das Verstehen anstreben.
Aber immer muss die Kirche, muss der Christ, muss vor allem der Papst darauf
gefasst sein, dass das Zeugnis, das er abzulegen hat, Skandal wird, nicht
angenommen wird, und dass er dann in die Situation des Zeugen, des leidenden
Christus hineingerückt wird.
Dass die
frühen Päpste alle Märtyrer waren, hat seine Bedeutung. Zum Papst gehört
nicht, dass er als glorreicher Herrscher dasteht, sondern dass er für jenen
Zeugnis ablegt, der gekreuzigt wurde, und dass er bereit ist, auch selbst in
dieser Form, in der Bindung an Ihn, sein Amt auszuüben.
Es gab allerdings auch Päpste, die
sich sagten: Der Herr hat uns das Amt gegeben, jetzt wollen wir es auch genießen.
Ja, auch das gehört zum Geheimnis der Papstgeschichte.
Die christliche Bereitschaft zum
Widerspruch durchzieht Ihre eigene Biografie wie ein stetes Webmuster. Das
beginnt im Elternhaus, wo Widerstand gegen ein atheistisches System als Merkmal
einer christlichen Existenz verstanden wird. Im Priesterseminar steht Ihnen
ein Rektor zur Seite, der im KZ Dachau interniert war. Als Priester beginnen
Sie in einer Pfarrgemeinde in München, in der Ihre beiden Vorgänger als Widerstandskämpfer
von den Nazis hingerichtet wurden. Während des Konzils opponieren Sie gegen die
zu engen Vorgaben der Kirchenführung. Als Bischof warnen Sie vor den
Gefährdungen einer Wohlstandsgesellschaft. Als Kardinal stemmen Sie sich gegen
den Umbau des christlichen Kerns durch glaubensfremde Strömungen.
Haben
diese Grundlinien nun auch Einfluss darauf, wie Sie Ihr Pontifikat gestalten?
Natürlich bedeutet eine so lange Erfahrung auch eine
Formung des Charakters, sie prägt das Denken und das Tun. Ich war natürlich
nicht einfach immer nur grundsätzlich dagegen. Es gab viele schöne Situationen
des Einverständnisses. Wenn ich an meine Kaplanszeit denke, war zwar schon das
Aufbrechen der säkularen Welt in den Familien spürbar, aber trotzdem gab es so
viel Freude im gemeinsamen Glauben, in der Schule, mit den Kindern, mit der
Jugend, dass ich richtiggehend von dieser Freude getragen wurde. Und so war es
auch in der Zeit, als ich Professor war.
Durch mein
ganzes Leben hat sich immer auch die Linie hindurchgezogen ,
dass Christentum Freude macht, Weite gibt. Schließlich könnte man als einer,
der immer nur dagegen ist, das Leben wohl auch gar nicht ertragen.
Aber
gleichzeitig war immer gegenwärtig, wenn auch in unterschiedlichen Dosierungen,
dass das Evangelium gegen machtvolle Konstellationen steht. Dies war in meiner
Kindheit und Jugend bis zum Kriegsende natürlich besonders drastisch. Seit den
1968er Jahren geriet der christliche Glaube dann in den Gegensatz zu einem
neuen Gesellschaftsentwurf, so dass er immer wieder gegen machtvoll
auftrumpfende Meinungen bestehen musste. Anfeindungen zu ertragen und
Widerstand zu leisten, gehört also dazu - ein Widerstand aber, der dazu dient,
das Positive ins Licht zu bringen.
Nach dem Annuario Pontificio , dem Jahrbuch der katholischen Kirche, errichteten Sie alleine im Jahr
2009 acht neue Bischofssitze, eine Apostolische Präfektur, zwei neue
Metropolitansitze und drei Apostolische Vikariate. Die Zahl der Katholiken
stieg gerade wieder um 17 Millionen, so viel wie die Einwohnerschaft Griechenlands
und der Schweiz zusammen. In den fast 3000 Diözesen haben Sie 169 neue Bischöfe
ernannt. Dann sind da die ganzen Audienzen, die Predigten, die Reisen, die
Vielzahl von Entscheidungen - und neben all dem haben Sie auch noch ein großes
Jesus-Werk geschrieben, dessen zweiter Band demnächst veröffentlicht wird. Sie
sind heute 83 Jahre alt; woher nehmen Sie Ihre Kraft?
Zunächst muss ich sagen, dass das,
was Sie aufzählen, ein Zeichen dafür ist, wie sehr die Kirche lebt. Von Europa
alleine aus betrachtet hat es den Anschein, dass sie im Niedergang ist. Aber
das ist nur ein Teil des Ganzen. In anderen Erdteilen wächst und lebt sie, ist
sie voller Dynamik. Die Zahl der Neupriester ist in den letzten Jahren weltweit
gestiegen, auch die Zahl der Seminaristen. Wir erleben auf dem europäischen
Kontinent nur eine bestimmte Seite und nicht auch die große Dynamik des
Aufbruchs, die anderswo wirklich da ist und der ich auf meinen Reisen und durch
die Besuche der Bischöfe immer wieder begegne.
Richtig
ist, dass das einen 83-jährigen Menschen eigentlich überfordert. Gott sei Dank
gibt es viele gute Mitarbeiter. Alles wird
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