Benedikt XVI
muss.
Wollte Johannes Paul II. Sie als
seinen Nachfolger haben?
Das weiß ich nicht. Ich glaube, er hat das ganz dem Lieben
Gott überlassen.
Immerhin hat er Sie nicht aus dem
Amt gelassen. Das könnte man als argumentum e silentio verstehen, als ein stilles
Argument für den Lieblingskandidaten.
Er hat mich im Amt halten wollen, das ist offenkundig. Als
mein 75. Geburtstag nahte, das Erreichen der Altersgrenze, an der man die
Demission einreicht, hat er zu mir gesagt: "Sie brauchen den Brief gar
nicht zu schreiben, denn ich will Sie bis zum Ende haben." Das war das
große und unverdiente Wohlwollen, das er von Anfang an für mich hegte. Er hatte
meine "Einführung in das Christentum" gelesen. Das war für ihn
offenbar eine wichtige Lektüre. Gleich als er Papst wurde, hat er sich
vorgenommen, mich als Präfekten der Glaubenskongregation nach Rom zu berufen.
Er hatte ein großes, ganz herzliches und tiefes Vertrauen in mich gesetzt. Sozusagen
als die Gewähr dafür, dass wir im Glauben den richtigen Kurs fahren.
Sie haben Johannes Paul II. noch
auf seinem Sterbebett besucht. An jenem Abend eilten Sie von einem Vortrag aus Subiaco zurück, wo Sie über "Benedikts Europa in der
Krise der Kulturen" gesprochen hatten. Was hat Ihnen der sterbende Papst
noch gesagt?
Er war sehr leidend und dennoch sehr präsent. Er hat aber
nichts mehr gesagt. Ich habe ihn um den Segen gebeten, den er mir gab. So sind
wir mit einem herzlichen Händedruck und in dem Bewusstsein, dass es die letzte
Begegnung ist, voneinander gegangen.
Sie wollten nicht Bischof werden,
Sie wollten nicht Präfekt werden, Sie wollten nicht Papst werden. Erschrickt
man da nicht auch darüber, was einem ganz gegen den eigenen Willen immer wieder
geschieht?
Es ist eben so: Wenn man bei der Priesterweihe ja sagt,
kann man zwar seine Idee davon haben, was das eigene Charisma sein könnte, aber
man weiß auch: Ich habe mich dem Bischof und letztlich dem Herrn in die Hand
gegeben. Ich kann mir nicht aussuchen, was ich will. Am Ende muss ich mich
führen lassen.
Ich hatte
in der Tat die Idee, dass Professor der Theologie mein Charisma sei, und ich
war sehr glücklich, als meine Vorstellung in Erfüllung ging. Aber es war für
mich auch klar: Ich bin immer in den Händen des Herrn, und ich muss auch mit
Dingen rechnen, die ich nicht gewollt habe. In diesem Sinn waren es sicher
Überraschungen, plötzlich weggerissen zu werden und nicht mehr dem eigenen Weg
folgen zu können. Aber wie gesagt, in dem grundlegenden Ja war auch enthalten:
Ich stehe dem Herrn zur Verfügung und muss vielleicht eines Tages auch Dinge
tun, die ich selber nicht möchte.
Sie sind nun der mächtigste Papst
aller Zeiten. Niemals zuvor hatte die katholische Kirche mehr Gläubige, noch
nie eine solche Ausdehnung, buchstäblich bis zu den Enden der Welt.
Natürlich sind diese Statistiken wichtig. Sie zeigen an,
wie weit die Kirche verbreitet ist und wie groß diese Gemeinschaft, die Rassen
und Völker, Kontinente, Kulturen, Menschen aller Art umspannt, wirklich ist.
Aber der Papst hat durch diese Zahlen nicht Macht.
Warum nicht?
Die Art der Gemeinschaft mit dem Papst ist anders, und die
Art der Zugehörigkeit zur Kirche natürlich auch. Unter den 1,2 Milliarden sind
viele, die innerlich nicht mit dabei sind. Der heilige Augustinus hat schon zu
seiner Zeit gesagt: Es sind viele draußen, die drinnen zu sein scheinen; und
es sind viele drinnen, die draußen zu sein scheinen. Bei einer Sache wie dem
Glauben, der Zugehörigkeit zur katholischen Kirche, ist Innen und Außen
geheimnisvoll miteinander verwoben. Darin hatte Stalin schon Recht, dass der
Papst keine Divisionen hat und nicht gebieten kann. Er hat auch kein großes
Unternehmen, in dem gleichsam alle Gläubigen der Kirche seine Angestellten
oder seine Untertanen wären.
Insofern
ist der Papst einerseits ein ganz ohnmächtiger Mensch. Andererseits steht er
in einer großen Verantwortung. Er ist gewissermaßen der Anführer, der Repräsentant
und zugleich der Verantwortliche dafür, dass der Glaube, der die Menschen
zusammenhält, geglaubt wird, dass er lebendig bleibt und dass er in seiner Identität
unangetastet ist. Aber nur der Herr selber hat die Macht, die Menschen auch im
Glauben zu halten.
Für die katholische Kirche ist der
Papst der Vicarius Christi der
Stellvertreter Christi auf Erden. Können Sie wirklich für Jesus sprechen?
Bei der Verkündigung des Glaubens und
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