Bennys Blutgericht
schauen können.«
»Das kann ich verstehen.«
»Natürlich habe ich Johnny den Umgang mit Benny nicht verboten, aber ich war froh, daß er andere Freunde hatte. Und zwar welche aus seiner Klasse und in seinem Alter. Daß er sich heute mit Benny verabredet hat, war Zufall. Oder, Johnny?«
»Ja, wir haben uns am Nachmittag getroffen. Eigentlich wollte er nur zum Teich, um Frösche zu beobachten.«
»Die er nicht mag«, sagte Bill.
»Fand ich auch komisch, Dad. Er hat sie gehaßt. Er… er… wollte sie killen und hat es auch getan.«
»Haßt er nur Frösche?« fragte ich.
»Keine Ahnung. Hunde mag er auch nicht, das weiß ich.«
»Und wie kommt er mit den anderen Leuten aus? Ich meine, mit denen in deinem Alter und so.«
»Nicht gut. Er haßt viele – ehrlich.« Johnny schüttelte den Kopf, als könnte er das alles nicht begreifen.
Ich wußte auch nicht, was ich dazu sagen sollte. Kindererziehung ist eben eine komplizierte Sache, doch eine Frage hatte ich noch, und die stellte ich Bill. »Kennt ihr eigentlich Bennys Eltern?«
Er lachte scharf auf. »Und ob wir die kennen.«
»Das hört sich komisch an.«
»Bennys Vater ist ausgerechnet Richter. Dr. Donatus Benson. Im Kreise seiner Kollegen hat er den Ruf, ein verdammt harter Hund zu sein. Wir haben ihn einige Male erlebt. Er ist ein Typ, der nur ungern die Meinung eines anderen gelten läßt. Sehr konservativ, auch streng zu seinem Sohn, denke ich mir. Da wächst der Frust in einem Kind, so daß es irgendwann einmal zu diesen Reaktionen wie die Tötung der Kröten kommen muß. Wobei ich nicht hoffe, daß dies so etwas wie ein Anfang ist und die Dinge sich noch ausweiten.«
Ich verzog die Mundwinkel und nickte vor mich hin.
»Es ist wie so oft. Wenn Kinder verkorkst sind, muß man die Schuld bei ihren Eltern suchen. Zumindest in vielen Fällen.«
Wir ließen uns den Abend trotzdem nicht vermiesen. Benny Benson geriet für mich in Vergessenheit, bis ich einige Jahre später wieder an ihn erinnert werden sollte. Aber das in einem Fall, der nicht so harmlos war wie das Töten zweier Kröten.
Denn es floß Blut – viel Blut…
***
Als die Türglocke im Westminster-Klang bimmelte, wurde jeder, der Madame Gretas Laden betrat, in eine andere Welt versetzt. Es war das Reich der Starre, der Bewegungslosigkeit, die das Leben hatte einfrieren lassen, um es den Gesichtern zu vererben, die von drei verschiedenen Seiten den Besucher anschauten.
Es waren Puppen – nur Puppen. Überall verteilt. In den Regalen standen sie, hockten auf kleinen Bänken oder saßen eingekuschelt auf den Sofas. Man sah sie auf Tischen und in Nischen am Fenster. Sie lächelten oder schauen grimmig, manchmal auch neutral.
Es gab die Holzpuppen und die aus Pappe. Man sah sie aus Porzellan ebenso gefertigt wie aus Kunststoff. Sogar Stoffpuppen hatte Greta ausgestellt, und jede einzelne Puppe war mit einer gewissen Leibe dekoriert worden. Trotz der Menge wirkte alles aufgeräumt, es war kein Durcheinander, denn die Besitzerin hatte jeden Platz für ihre Lieblinge genau ausgesucht.
Mädchen, Jungen, kleine und große Puppen. Babys ebenso wie Omas, und jede einzelne stand oder lag so, daß der Kunde sie auch sehen und nehmen konnte.
Puppenwagen konnten ebenfalls gekauft werden. Vor einem dieser Wagen blieb der Besucher stehen. Er lächelte, strich sein braunes Haar zurück und wartete darauf, daß der Klang der Glocke verstummte. Erst dann würde sich Greta zeigen.
Durch zwei Sprossenfenster fiel Licht in das Geschäft. Es war ein ziemlicher grauer Schein, entsprechend dem Tag, der draußen lag. Kein schönes Maiwetter. Es war diesig, die Luft roch nach Regen. Da blieben die Frühlingsgefühle außen vor.
Auf einer Theke stand eine hohe altertümliche Kasse aus Metall. Man mußte an einer Kurbel drehen, um die Lade zu öffnen. Dann wurde der Betrag registriert und zeichnete sich in einem kleinen Sichtfenster an der Rückseite des Geräts ab.
Hinter der Kasse erhob sich eine Frau. Es war Greta. Sie saß dort immer. Von einem Kunden war sie beim Eintreten nicht zu sehen. Es sei denn, er hätte genau Bescheid gewußt. Aber Great sah jeden, denn sie blickte durch einen schmalen Tunnel über die Theke hinweg direkt auf die Tür und den Laden. So hielt sie die Besucher unter Kontrolle und konnte von ihren Gesichtern ablesen, was sie wohl dachten und wie sie die Dekoration hier aufnahmen.
Benny Benson gehörte zu den Stammkunden. Das heißt, er war der Stammkunde, und er war zugleich
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