Benson, Amber - Jenseits GmbH 1 - Lieber Tod als Teufel
schaute er wieder lächelnd zu mir auf. Er war ganz offensichtlich hin und weg von mir. Wahrscheinlich war ich das attraktivste weibliche Wesen, das er jemals berührt hatte.
„Du hast nicht zufällig das große, dinosaurierähnliche Monster gesehen, das ich erwähnt habe, als du reingekommen bist, oder?“ Ich schaute mich im Eingangsbereich um. Nichts. Und dann begriff ich – wenn etwas hier gewesen wäre, dann hätte es Patience gefressen, als sie nach Hause gekommen war. Kaum zu glauben, dass ich den ganzen Nachmittag, im Badezimmer versteckt, auf die Männer vom Ordnungsamt gewartet hatte, nur weil ich den Verstand verlor und Dinge sah, die es offensichtlich nicht wirklich gab.
Brian bedachte mich mit einem fragenden Blick, schüttelte jedoch den Kopf. „Tut mir leid, keine Dinosaurier. Aber ich habe einen Cowboy in Unterwäsche gesehen, der auf dem Times Square Gitarre spielt.“
Da Brian mich vor der sicheren Entstellung meines Gesichts bewahrt hatte, ging ich mit ihm essen. Er war ein netter Kerl. Klein, aber nett.
Ich würde Patience umbringen … und gleich danach würde ich mich in die Klapse einweisen lassen.
2
Das restliche Wochenende trug nicht gerade dazu bei, die Zweifel an meiner geistigen Gesundheit zu zerstreuen. Den größten Teil des Sonntags über versteckte ich mich in meiner Wohnung und traute mich nicht einmal, den Fernseher einzuschalten, aus Angst, noch mehr seltsames Zeug zu sehen, das meine Wahnsinnsdiagnose bestätigen würde. Als ich abends ins Bett schlüpfte, fühlte ich mich schon etwas besser. In stiller Dankbarkeit schloss ich die Augen und hoffte, dass der Montagmorgen dieses verrückte Wochenende ins rechte Licht rücken würde.
Ich wachte spät auf. Deshalb ging ich nicht zu Fuß zur Arbeit – was dieser Tage meine einzige sportliche Betätigung war –, sondern entschied mich für die U-Bahn. Nichts gegen öffentliche Verkehrsmittel, aber morgens und nach der Arbeit hatte man in der U-Bahn das Gefühl, als quetschte man sich freiwillig in eine Sardinenbüchse. Mit übel riechenden Sardinen drin.
Also nichts, was ich gern tat, obwohl ich spät dran war. Aber ich hatte keine Wahl – ansonsten hätte ich höchstens ein Taxi nehmen können, was mich ein kleines Vermögen und wahrscheinlich noch sehr viel mehr Zeit gekostet hätte.
Also stand ich kurz darauf in einem quietschenden U-Bahn-Wagen, umklammerte fest einen schweißnassen Haltepfosten und betete, dass bei der nächsten Station jemand aussteigen würde, damit ich mir endlich einen Sitz krallen konnte.
Ich war gerade vollauf mit dem Versuch beschäftigt, meine iPod -Kopfhörer zu finden, die aus irgendwelchen Gründen immer, um einen Tampon gewickelt, ganz unten in meiner Handtasche landeten, als plötzlich ein Obdachloser vor mir stand und mich mit leerem Blick aus dunklen Augen anstarrte.
Normalerweise hätte ich einfach etwas Kleingeld von mir geschleudert und damit eine Obdachlosen-Selbstbedienungssituation erzeugt. Doch dieser Mann blinzelte nicht mal, als ich ein paar Vierteldollars nach der mexikanischen Dame warf, die die komplette Behindertenbank in meinem Rücken einnahm. Ich hatte ein schlechtes Gewissen dabei, ihr Mr. Obdachlos auf den Hals zu hetzen, aber andererseits besetzte sie tatsächlich alle Behindertensitze. Damit war sie zum Abschuss freigegeben.
Aber auf diese Art entkam ich dem eindringlichen Blick des Obdachlosen nicht. Stattdessen geschah etwas Sonderbares. Etwas, womit ich auch nach zwei Jahren Manhattan nie gerechnet hätte – obwohl in diesen beiden Jahren zahlreiche unschöne Erlebnisse ihre hässlichen Spuren in meinem feinfühligen Gemüt hinterlassen hatten.
Anstatt den Münzen nachzulaufen, fiel der Obdachlose auf die Knie, was in der überfüllten U-Bahn ein echtes Kunststück war. Aus dieser unterwürfigen Haltung schaute er vom schmutzigen Boden zu mir auf, wackelte verführerisch mit den fettigen Brauen und warf mir mit andächtigem Blick eine Kusshand zu.
Doch das war noch nicht das Schlimmste.
Das Schlimmste kam anschließend: Bei der nächsten Haltestelle beugte Mr. Obdachlos sich vor und versuchte, mir durch meine Marc-Jacob-Sandalen hindurch die Füße zu küssen!
Iiiiih!
Der Typ hörte erst auf, als ich mich in meiner Verzweiflung durch die Tür warf, kurz bevor sie sich schloss. Man kann sich wohl denken, dass ich kurz darauf im dichtesten morgendlichen Fußgängergetümmel steckte. Ich konnte von Glück sagen, dass ich nicht schon auf dem Bahnsteig
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