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Beobachter

Beobachter

Titel: Beobachter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Link
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die Gabe, stets das Falsche im falschen Moment zu tun, und in einer Situation wie dieser konnte er größtes Unheil anrichten.
    John stieg aus und tat ein paar vorsichtige Schritte auf die beiden Frauen zu. Im Mondlicht und im Kegel der Scheinwerfer konnte er alles in fast brutaler Deutlichkeit sehen. Es war ein scharfzackiges Messer, das Tara Caine in der Hand hielt. Im Näherkommen erkannte er nun auch, weshalb Gillian den Hals reckte und den Kopf so völlig unbeweglich hielt: Eine Schlinge aus Draht lag um ihren Hals und wurde von Tara zusammengehalten. Er konnte sich vorstellen, wie schmerzhaft tief der Draht in die Haut schnitt und Gillian zur völligen Bewegungslosigkeit verurteilte, wollte sie den Schmerz nicht verschärfen. Sie war vollkommen wehrlos. Es gab für sie keine Chance, sich alleine zu befreien.
    Allerdings: Die Pistole, mit der sie Thomas Ward erschossen hatte, schien Tara nicht zur Hand zu haben. Sie konnte ihn nicht einfach abknallen.
    »Keinen Schritt näher, Burton«, sagte Tara. Ihre Stimme klang klar und befehlsgewohnt. Sie hatte alles im Griff, zumindest war sie davon überzeugt. John konnte sie sich plötzlich gut im Gerichtssaal vorstellen. Wahrscheinlich legte sie dort genau dieses Auftreten an den Tag: eine erfolgsgewisse Gelassenheit. Er überlegte, ob sie Grund hatte, sich so überlegen zu fühlen. Leider war es tatsächlich so, dass sie zumindest für den Moment die besseren Karten in den Händen hielt.
    Er blieb stehen.
    »Was wollen Sie?«, fragte er.
    »Woher glauben Sie zu wissen, dass ich irgendetwas will ?«, gab Tara zurück.
    »Wir können uns hier jetzt auch stundenlang gegenüberstehen. Aber das bringt Sie vermutlich nicht weiter.«
    »Ich kann Ihre Freundin jetzt auch auf der Stelle töten. Glauben Sie mir, Sie würden es nicht verhindern können.«
    »Sicher, aber was hätten Sie davon? Ich hätte Sie eine halbe Sekunde später überwältigt, und das war es dann für Sie. Keine angenehme Perspektive, schätze ich.«
    Gillian gab einen leisen Schmerzenslaut von sich. John hatte die Bewegung bemerkt: Tara hatte an der Drahtschlinge geruckt. Es war deutlich, für jeden auch nur rhetorischen Sieg, den er erzielte, würde Gillian leiden müssen. Er merkte, wie sich seine Hand unwillkürlich zur Faust ballte. Caine war brutal und skrupellos. Absolut gefährlich.
    Er sah sie abwartend an.
    »Den Autoschlüssel«, sagte Tara. »Ich möchte, dass Sie ihn zu mir herüberwerfen. Und zwar so, dass ich ihn mit meinem Fuß erreichen kann.«
    »Den Autoschlüssel?«
    »Den Autoschlüssel und Ihr Handy. Keine Ahnung, ob hier Empfang ist, aber ich möchte es nicht darauf ankommen lassen, dass Sie die Bullen anrufen, kaum habe ich Ihnen den Rücken zugewandt.«
    Er begriff, was sie vorhatte. »Sie wollen mit meinem Auto fliehen. Und Gillian mitnehmen. Und mich hier stehen lassen.«
    »Schlauer Junge. Immerhin haben Sie noch mein Auto, was Ihnen ein wenig Schutz vor dem Wind bieten wird. Natürlich ohne Schlüssel. Den habe ich inzwischen. Zu Fuß nach Manchester dauert es verdammt lange, und wahrscheinlich verlaufen Sie sich auch noch. Aber womöglich kommt ja auch jemand vorbei, der Sie mitnimmt. Obwohl das um diese Jahreszeit hier schon eine verdammt ausgestorbene Gegend ist.«
    Leise sagte er: »Und Sie glauben ernsthaft, Sie kommen damit durch? Die Polizei des ganzen Landes sucht Sie, Staatsanwältin Caine. Man hat Ihre Mutter gefunden. Sie sind hochgradig tatverdächtig. Sie sind doch vom Fach. Sie wissen, dass Sie Ihre Lage verbessern, wenn Sie jetzt aufgeben. Wenn Sie Gillian freilassen.«
    »Bringt mir gar nichts«, sagte Tara kalt. »Bei allem, was ich auf dem Gewissen habe. Ich habe nicht Ihr Glück, Burton. Dass man mir nichts nachweisen kann und dass ich überdies an die größte Niete gerate, die die Londoner Staatsanwaltschaft zu bieten hat. Damit sind Sie durchgekommen. Mich wird es anders treffen.«
    »Ich hatte nichts verbrochen.«
    »Die Behauptung wird nicht dadurch wahrer, dass Sie sie wiederholen.«
    Er überlegte. »Ich schlage Ihnen etwas vor, Mrs. Caine. Sie haben offenbar schon selbst erkannt, dass Sie eine Geisel brauchen, wenn es auch nur die kleinste Chance für Sie geben soll, aus Ihrer prekären Situation herauszukommen. Gillian hat eine kleine Tochter, die bereits den Vater verloren hat. Bitte nehmen Sie ihr nicht auch noch die Mutter. Lassen Sie sie frei und nehmen Sie mich stattdessen mit.«
    Es war ein Versuch, aber er hegte wenig Hoffnung. Tara war

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