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Beobachter

Beobachter

Titel: Beobachter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Link
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ließ.
    Ich muss ihr Fragen stellen, dachte sie, Fragen nach dem, was früher war. Einen Menschen mit ihrer Geschichte muss es danach drängen, die Dinge zu erzählen und zu erklären.
    Ihr kam ein Einfall. Sie hielt sich daran fest wie an einem Strohhalm. Tara hatte ihr erzählt, wie sie ihre Mutter getötet hatte: Sie hatte ihr ein Geschirrtuch tief in den Mund gestopft, ihr sodann die Nase mit Paketklebeband verschlossen. Sie hatte sie ersticken lassen. Und dann von der Küche hinüber in ihr eigenes einstiges Kinderzimmer geschleift. An den Ort des lange zurückliegenden Verbrechens.
    Der Anblick des Geschirrtuches war der elektrisierende Auslöser des Mordes gewesen.
    »Ich möchte noch etwas wissen, Tara«, sagte sie. Und schnell, ehe Tara ihr ins Wort fallen konnte, fuhr sie fort: »Dieses Geschirrtuch, mit dem du … also das du deiner Mutter …«
    »Mit dem ich sie erstickt habe? Und die beiden anderen Frauen auch?«
    Gillian atmete tief. »Ja, das meine ich. Wie … wie bist du darauf gekommen? War das Zufall?«
    Als ob es erheblich war. Aber jede Sekunde, die sie jetzt gewann, konnte entscheidend sein. Schon sah sie die Lichter wieder. Deutlich näher. Bislang hatte das Auto nicht seine Richtung gewechselt.
    »Zufall? Nichts in dieser ganzen Geschichte war ein Zufall«, sagte Tara verächtlich. Dann änderte sie ihre Tonart. »Nur Thomas … er war zufällig im falschen Moment am falschen Ort. Ich hatte eigentlich nichts gegen ihn.«
    »Das Geschirrtuch«, erinnerte Gillian.
    »Ach so, ja. Das Geschirrtuch. Hatte ich das noch nicht erwähnt?« Sie klang gleichmütig. Auf diese unnatürliche Art, die sie schon die ganze Zeit über an den Tag legte. »Meine Mutter war immer eine sehr gute Hausfrau. Immerzu putzte und wischte sie etwas. Bei uns kann man vom Fußboden essen, sagte sie gern. Das war ihr wichtig. Die blitzblanke, hübsche Wohnung. Mit Häkeldeckchen und selbst genähten Gardinen und grässlichen Usambaraveilchen in weißen Übertöpfen aus verschnörkeltem Porzellan. Ja, und diese Dinger hatte sie eben überall griffbereit liegen. Diese karierten Geschirrtücher. Um jedem Staubkorn und jedem Schmutzfleck gleich zu Leibe rücken zu können.« Sie hielt inne, überlegte kurz. Gillian hatte den Eindruck, dass sie ihre Worte mit Bedacht setzte, dass sie ihrer Mutter Gerechtigkeit widerfahren lassen wollte, während sie sie analysierte. Sie war Juristin. Sie warf mit Anschuldigungen nicht einfach so um sich. »Es war nicht zwanghaft mit ihrer Sauberkeit, das würde ich nicht behaupten, aber sie war schon ziemlich akribisch, und in den Jahren mit Ted wurde es stärker. Ich habe mir später überlegt …«
    »Ja?«, hakte Gillian nach, als Tara stockte. Rede!
    »Ich habe mir überlegt, dass es ihre Art war, das Geschehen zu verarbeiten. Den Schmutz loszuwerden, den Ted in unsere Familie brachte und über den sie genau Bescheid wusste. Sie setzte ihm ihre verdammte saubere Wohnung entgegen, und als ich an jenem Abend das Geschirrtuch sah, dachte ich …«
    Gillian wagte nicht, noch einmal etwas zu sagen. Tara zitterte. Sie konnte das daran spüren, dass die Drahtschlinge schmerzhaft an ihrem Hals ruckte.
    »Ich dachte: Erstick doch an deiner Verlogenheit «, fuhr Tara fort, »und dann, na ja, dann geschah genau das. Sie erstickte daran.«
    Sie richtete sich plötzlich auf, was Gillian an einem weiteren harten Rucken am Hals spürte.
    »Da ist ja ein Auto«, sagte sie verblüfft. »Ach, du Scheiße!«
    15
    »Das sind sie«, sagte John. Er bremste jäh. In sein erstes Gefühl überwältigender Erleichterung, die beiden Frauen tatsächlich entdeckt zu haben, mischte sich sofort das Entsetzen über die brenzlige Situation, in der er sie antraf: Sie hatten das Auto verlassen und standen mitten auf der Straße. Tara hielt sich einen halben Schritt hinter Gillian. Sie drückte ihr ein Messer an den Hals. Gillian schien vor Angst wie erstarrt.
    »Lieber Himmel«, stieß Samson hervor.
    John schaltete den Motor aus, ließ aber die Scheinwerfer brennen. »Sie bleiben hier im Auto«, wies er Samson an. »Verstanden?«
    »Ja. W…wo gehen Sie hin?«
    John hatte die Fahrertür geöffnet. »Ich will mit Tara Caine reden. Und noch mal: Sie rühren sich nicht vom Fleck!«
    Samson nickte. Er blickte aus riesigen Augen durch die Windschutzscheibe auf das Bild, das sich ihm bot. Er schien vollkommen verstört. John hoffte zutiefst, dass er sich an seine Anweisung hielt und im Auto blieb. Samson verfügte zweifellos über

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