Bereue - Psychothriller (German Edition)
Mundwinkel bewusst waagrecht gezogen griff er nach seinem eigenen Angebot, das einen Werbekostenzuschuss von nur 10.000 Euro enthielt, und schob es zu Groki hinüber. „Hier, meine Vorstellungen. Sollten wir uns nicht einigen, können wir auch auf eine Zusammenarbeit verzichten.“ Die Drohung war riskant. Wenn Petworld wirklich alle Vita Canin -Produkte aus seinen 400 Märkten nehmen würde, hätte das deutliche Umsatzeinbußen zur Folge. Petworld hatte eine anspruchsvolle Kundschaft, keine Schnäppchenjäger. Nein, das war genau die Käuferschicht, die Vita Canin mit ihren hochwertigen Produkten erreichen wollte. Doch die Kunden würden ihn zwingen, den Marktführer wieder aufzunehmen, und dass innerhalb weniger Wochen.
Grokis Finger hinterließen feuchte Flecken auf dem Papier, als er das Angebot studierte. “Herr Biller, auf dieser Basis können wir uns wirklich nicht einigen. Haben Sie eine Vorstellung, was für einen Aufwand wir betreiben müssen für die Neulistung, die Platzierungen, die Werbekosten?”
Die Hände auf dem Tisch verschränkt, fixierte Ben einen Punkt zwischen Grokis Augen. Es entging ihm nicht, wie der Blick seines Gegenübers über sein Gesicht glitt und an der Narbe hängen blieb, die die linke Augenbraue teilte und unter dem Auge weiterverlief. Hell hob sich das Gewebe von der Haut ab. Je nach Lichteinfall schimmerte es wie eine Träne. Mit achtzehn Jahren war er mit seinem ersten eigenen Auto, einem alten Astra, gegen einen Baum gefahren. Er war nicht betrunken gewesen, aber auch nicht bei Sinnen. Kurz zuvor war Annelie aus seinem Leben verschwunden und hatte ihn mit zerrissenem Herzen zurückgelassen. Diese grässliche Narbe würde ihn für immer an diese Zeit erinnern, als er ein Anderer geworden war, ein Anderer hatte werden müssen, um weiterzuleben.
Ruckartig zog er seine Hände auseinander und knallte sie auf den Tisch. “Wir bieten unseren Vermarktern mit dieser neuen Produktlinie eine funktionierende Wertschöpfungskette.” Er stand auf und ging zu seinem Schreibtisch hinüber.
Hinter sich hörte er Grokis Stuhl auf dem Parkettboden schaben. „Ich muss das mit unserer Geschäftsleitung besprechen.“
Friday I’m in Love dröhnte die Stimme von Robert Smith durch den Wagen. Ben war kein Cure -Fan und verliebt war er auch nicht, aber es war Freitag und eine erfolgreiche Woche lag hinter ihm. Und ein passables Wochenende stand bevor. Es war Ende Mai und das Wetter sollte sommerlich bleiben. Keine Termine am Wochenende, jedenfalls keine geschäftlichen. Heute Nachmittag konnte er endlich mal wieder mit Lucky raus zur Hütte fahren.
Aber da fehlte noch etwas. Er bremste scharf. Jemand hupte hinter ihm. Er hob prophylaktisch die Faust vor den Rückspiegel und parkte den schwarzen BMW X6 auf der Straße vor einem kleinen Getränkemarkt. Fünf Minuten später verließ er den Laden mit einem Kasten vorg ekühltem Weißbier. Er drückte die Fernbedienung, die Heckklappe summte auf.
„Benjamin!“, rief eine helle Stimme hinter ihm.
Er zuckte zusammen, krachend landete der Bierkasten im Kofferraum. „Idiot“, schimpfte er sich. Warum nur fühlte er sich angesprochen. Benjamin hießen niedliche Buben mit strohblonden Haaren. Niemand nannte ihn so. Außer seinen Eltern.
„Benni!“, rief die Stimme.
Zähneknirschend registrierte er den Stich in seinem Herzen und atmete tief durch. Benni war er nur für einen einzigen Menschen in seinem Leben gewesen, und das war verdammt lange her. Annelie.
Er drehte sich um. Eine junge Frau drückte einem etwa Fünfjährigen ein Eis in sein Patschehändchen. Blonde Locken quollen unter seiner Kappe hervor. Der Zwerg strahlte.
So einfach war Kinderglück. Ben knallte den Kofferraum zu und setzte sich wieder hinter das Lenkrad.
Eine viertel Stunde später lenkte er den Wagen in die Auffahrt zu seinem Haus im Herzogpark, nicht weit entfernt vom Englischen Garten. Die weiß gestrichene Fassade leuchtete ihm in der Sonne entgegen.
Beste Wohnlage Münchens, einhundertsechzig Quadratmeter Wohnfläche, frisch renoviert. Erst vor ein paar Monaten hatte er es gewagt, dieses Haus zu finanzieren. 560.000 Euro hatte es gekostet, etwa die Hälfte gehörte noch der Bank. Selbst für ihn war es nur finanzierbar, weil der Grund zur Erbpacht war.
Die Neugestaltung des Gartens wollte er einem Fachmann überlassen, wenn er endlich Zeit dafür finden würde. Derzeit war das Grundstück von einem weißen Lattenzaun gesäumt, der einen unkrautigen
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