Berge Meere und Giganten (German Edition)
früherer Jahrhunderte gegen die Apparate, wurden in ihm wach; er sprach sie aus. Jetzt erkannte er sie. Auf diesem Boden stand er. Ihm war, als wenn Schuppen von seinen Augen fielen. Wie ein Werkzeug, ein störrisch widerstrebendes, ein Hobel über einem Knollen und Baumstrunk hatte er sein Konsulat geführt. Alles war gut daran. Er hatte gelitten, nicht gewußt, wie wohl er tat.
Er dachte immer an die Menschen, die sich in die Maschinen gestürzt hatten, um sie zu vernichten, die Toten von Calais, Targuniasch und Zuklati.
Hart sicher und rasch handelte er. Strenger Frost. Zwischen den sich belauernden Reihen der märkischen Horden und Zimbos schlug sich Marduk mit seinen Leuten durch, immer zurück ins Hannoversche kehrend, in sein Quartier. Diese Ortschaften waren verödet, wenige Menschen hausten noch hier, die Landschaft fiel in ihre alte Versunkenheit. Zwei Wochen nach der Flucht Angelellis und dem Abfall seiner Wache ritt er zum erstenmal in die Moore südlich des Grinderwaldes. Nach zehn Tagen kam er das zweite Mal. Rechts und links hatte sich in die Einöde, bei seinem alten Standort, die Kunde von seiner Anwesenheit verbreitet. Seine Mannschaft suchte zuverlässige Gefährten, verheimlichte sich nicht. Marduk selbst erklärte, man müsse Menschen sammeln, nicht verzagen.
Und er suchte und sammelte in der Gegend seines alten Standortes. Ein dunkles Gefühl hielt ihn fest, ließ ihn nicht erschlaffen, trieb ihn weiter. Was war es. Er mußte es vollenden. Jonathan fiel ihm in stillen Augenblicken ein. Die Treppe heruntergestürzt. Und gleich hinterher Elina. Diese Frau bei den Pferden, zwischen den Pferden, an einem Strick hängend. Die Pferde geiferten, die Krieger höhnten. An dem Strick die Leiche der Castel, der verruchten, zwischen zwei Toten die andere, die noch zappelte. Das Haus, in das man die Opfer der Horde gebracht hatte, war ausgestorben; auf den Gängen braunschwarze Blutspuren.
Wie einmal Marduk, die großen Augen nach innen gerichtet, leicht verdunkelt, den langen goldweißen Theatersaal betrat, den sich ein flüchtiger Herr hier hatte bauen lassen, jetzt mit Proviant Flaschen Kisten Röhren gefüllt, klang neben ihm die Stimme eines Mannes, der einen Gürtel in der Hand trug: ob sie Frauen annehmen dürften. »Nein« schüttelte Marduk den Kopf; nicht mehr Frauen, nicht mehr dies. Sie wollten aufbrechen, sie sollten das Quartier verlegen, östlicher, an die Elbe heran, sie sollten sich beeilen. Er ging, ohne den weißen Gürtel anzusehen, den der Mann ihm vorhielt.
Marduk stand auf dem Hügel, auf dem hartgefrorenen Boden, vor dem starren geborstenen Riesenskelett einer Esche. Die eisige Luft flog in Stößen über ihn. »Alle Dinge in der Welt müssen einmal beendet sein«, dachte er, »ich will aufbrechen.« Er packte im Haus an einer Bank seinen Tornister. Da hatte ihm der Mann den Gürtel hingelegt, den er vorhin in der Hand hielt. Marduk wollte schon die Lippen öffnen, den Mann zu rufen, da führte er die linke Hand zum Mund, bedeckte ihn. Wessen, wessen, wessen Gürtel war das: weiß, mit silbernem Zierat. Das war, – seine Augen erweiterten sich – Jonathans Gürtel. »Woher hast du den Gürtel?« »Eine Frau gab ihn mir; ich sollte ihn dir zeigen; sie wollte uns helfen.«
Nach einer Stunde Ritt hielten sie in einer Häuserreihe, die durch Brand und Sprengungen verschüttet war, vor einem niedrigen Gebäude, auf dessen flachem Dach Geröll eines niedergestürzten Nachbarturmes lag. Der Schutt häufte sich vor dem Eingang. Sie umgingen den Trümmerberg, ein Hund fiel sie an. Während der Krieger das bellende bissige starke Tier schlug, – es geiferte zuletzt oben auf den ungangbaren Steinmassen – rüttelte Marduk an der verschlossenen Tür. Neben der Tür war ein kleines Fenster. Marduk, im Gefühl, daß ihn seitlich einer anblicke, zuckte zusammen. Eine Frau streckte den zerzausten Kopf heraus. Ein blasses mageres Gesicht, das sich verzerrte und aufflammte. Im Augenblick zog sie den Kopf zurück. Marduk trommelte gegen die Füllung: »Mach auf.« Zwischen dem Hundegekläff hörte er drin rumoren und dann dicht an der Tür eine leise Stimme: »Du meinst, ich mach dir auf. Ich mach dir nicht auf.« »Mach auf.« Jetzt erkannte er, es war Elina. »Warum willst du nicht aufmachen?« »Glaubst du, ich werde mich noch einmal von dir in ein Gefängnis stecken lassen, du Hund. Ich bin da, damit du mich quälen kannst?« »Mach auf, Elina.« »Ja mach auf. Mach selber auf. Es wird
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