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Berge Meere und Giganten (German Edition)

Berge Meere und Giganten (German Edition)

Titel: Berge Meere und Giganten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Döblin
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die Nachricht von den Verhandlungen mit den Westlichen. Auch seine Worte gegen sie machten sie bekannt. Unerwartet erfolgten da geheime, dem Konsul bald nicht verborgene Besprechungen bei den Horden. Eine auffällige Zahl von Kampfspielen fand statt. Und dann ein Loswandern aus dem westlichen Gebiet, ein wachsendes spontanes Fortziehen aus dem Hannoverschen, eine um sich greifende Unruhe, ein panisches Strömen ostwärts. Marduk hatte eben erst Kenntnis von den ersten Abwanderungen der Horden und kleinen Gruppen nach Osten bekommen, da flossen Massen bis herauf zur hamburgischen Grenze wie eine Schneeschmelze auf Berlin zu. In einem Sturm, unter Verbrennen aller rückwärtigen Gebäude, Verschütten der Straßen, bewegten sie sich auf dieses Zentrum.
    Eine Warnung zu Beginn der Bewegung kam von Angelelli. Er hieß Marduk sich seiner Wache versichern. Dann hörte die Verbindung mit Angelelli auf. Schwere Waffen mußten die Horden an sich gerissen haben. Marduk wollte mit einem Teil seiner treuen Wache auf Berlin fliegen. Die Avantgarde geriet an eine Straßensperre. Es konnte Tage dauern, bis sie aufgedeckt war.
    Wie Marduk aus seinem Flugzeug bei Hannover auf die nasse kalte Erde stieg, hielt an seinem Haus eine kleine unbekannte Reiterschar. Eine Zahl unberittener Pferde hinter ihr. Auf einem schmutzigen flankenschlagenden Pferd saß Angelelli, der schwarze Hauptmann, sprang ab, folgte Marduk ins Haus. Er drängte heftig mit ungewohnter Erregtheit Marduk zu fliehen. Ein großer Teil seiner eigenen Schwerwaffen hielte nicht mehr zu ihm. Marduks Fernwaffen und seine Wache sei, soweit sie nicht dicht um ihn sei, verloren. Der eigenen Leibwache Marduks sei nicht zu trauen. Der Besieger der Castel, Zimbo, der Schwarze, führe selbst Täuscherhorden. Dies sei nun erwiesen. Er zeige ein doppeltes Gesicht; gegen seine Krieger das eines Täuschers wie sie selbst, gegen Fremde das eines Freundes Marduks. Die Horden strömten Zimbo zu, der Marduks Verrat trompete. Die panisch verwirrten Horden lockte er an sich. Marduk solle fliehen. Draußen ständen Pferde. Er, Angelelli, fliehe.
    In dem leeren abendlichterhellten Zimmer warf Marduk seinen schweren Ledermantel auf den Boden. Auch die Lederkappe mit dem Stierzeichen des Konsuls zog er ab und warf sie hin. Die Jacke knöpfte er sich langsam auf. Er atmete die Hitze seiner Brust aus. Dies hatte Jonathan gesagt, – mit einmal brannten die verschleierten Augen dieses jünglinghaften schrecklichen Menschen wieder vor ihm –: er solle fliehen. Die Horden zogen einen Reifen um sich und liefen diesem Zimbo in die Arme. Hart sah er an dem schwarzhaarigen Hauptmann vorbei: wohin er flüchte und wozu. Der, sehr leise, achselzukkend: wir können nur das Leben retten; sie müßten nach London. Da entließ Marduk den Hauptmann, nachdem er gefragt hatte, ob man bis morgen warten könne.
    Kurz darauf, in der rasch niederfallenden Dunkelheit, wurde Pferdetrappeln und Gejohl vor dem Haus laut. Der Hauptmann klopfte an das Zimmer, in dem Marduk, sein Herz zerreißend, lag. Marduk möchte herauskommen, dies draußen sehen. Schnaufend, krank und lahm, mit halbgeschlossenen Augen schleppte sich Marduk an die Tür, ließ sich, wie gerichtet, kaum vom Boden aufsehend, ins Freie führen. Fackeln brannten. Es waren Männer einer Horde. Zwischen ihnen Pferde, die sie, wie Marduk sichtbar wurde, auseinanderscheuchten. Ein Strick wurde sichtbar zwischen den Pferden. Daran hingen ein paar Dutzend Weiberkörper. Langgezogenes Klagen Wimmern. Die meisten hingen stumm. Ein Kerl rief von seinem Pferd herunter: dies seien die letzten aus dem Gefängnis von Linden; sie seien mit der bloßen Hand, ohne Waffen, gefaßt worden. Ein anderer schrie: die Castel und die vom Konsul seien dabei. Die hingen in der Mitte, sagten aber gar nichts mehr. Marduk stöhnte, sein Gesicht eine tote Bitterkeit. Man solle die Kerls verjagen. Den Strick losmachen. Die Pferde weg.
    Die Castel war tot. Man brachte nach einer halben Stunde auf den Gang ihre völlig zerbrochene und zertretene Leiche; sie war völlig ausgeweidet, der Kopf, zertreten, begann erst in der Mitte der Nase. Dann legte man drei Körper hin, die zusammenhingen. Die beiden außen waren tot oder sterbend. Ihre Rümpfe von innen mit ihren eigenen Kleidern zusammengebunden und verknotet; drin zwischen ihnen hing Elina, zwischen den weichen triefenden Massen eingekauert. Sie schrie, wie man die Körper trennte, das Bündel öffnete. Ihr einer Arm hing. Sie war

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