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Berge Meere und Giganten (German Edition)

Berge Meere und Giganten (German Edition)

Titel: Berge Meere und Giganten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Döblin
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Bäche stürzten von rechts her in sein Bett, Sand häufte er neben sich auf; sandig glatt waren seine Ufer, wo er sich dem Meer im Osten näherte. Neben ihm lief der Lagarfluß, aus einem viertausend Meter hohen Gletscher quoll sein milchig weißes Wasser. In Katarakten ergoß er sich, seenbreit erweiterte er sich, schüttete, wie er in die Heraldsbucht trat, Gletscherkies und Lehm von sich. Vor die weiten Mündungen der beiden Flüsse legten sich die Schiffe der Geschwader, warfen nicht Anker; ihre Antriebsmaschinen blieben in voller Arbeit. Der Wind ging scharf vom Land her. Der feine Aschenstaub flog über das Gebirge an das Wasser.
    Weit hinten in See dämmerte der Morgen. Mit Ruck und Stoß betraten die Wagen ihren gezeichneten Weg auf den Brückentafeln. Krachend zogen sie an, schmetterten Pfeiler auf Pfeiler ab. Die Schiffe in der finsteren Heraldsbucht steuerten langsam ostwärts in See hinaus.

    DAS GESTEIN der Berge jenseits der Küstengletscher, im Süden des schwarzen zitternden Odadahrauns, trank noch gierig die Säfte, die ihm der Schnee eingab, der mit Tonnengewichten auf ihm lag. Die Quellen der Ströme ließen sie über sich herlaufen; die Kraft, die aus der Erde kam, schüttelte an ihnen, tot lagen sie, verwitterten; unendlich lange Zeit hatten sie, dünne Dämpfe ringelten zwischen ihren Körpern hoch. Da war den Steinen, als wäre jeder von ihnen bei seinem Namen aufgerufen.
    Basalt war die mächtige Decke, die über dem Boden des Atlantischen Meeres erstarrt war. Sie bedeckte fünfhundert-tausend Quadratkilometer. Schottland Island Grönland erhoben sich auf ihr, tausend Meter war sie dick. In Treppen und Bänken lagerte sie hin, mit verkittetem zertrümmertem Tuff bestreut. Sturm und Wasser verwitterten ihre Oberfläche zu brauner gelber Wacke. Auf Island, der Insel des fünfundsechzigsten Breitengrades, hatten sie die Kegel und Kuppen der Berge gebildet, Gjaus, die Spalten gezogen, die von Süden nach Nordosten strichen, der steilwandige Spalt am Myrdalsjökull, die Lakispalten mit hundert Kratern. So standen die Berge da, Gemenge geknetet mit Gemenge wie eine Wiese, über die ein Sämann hundert Keime von hundert Arten wirft, die aufschießen, sich verfilzen. Die Gesteine waren zusammengeknirscht, zusammengeschauert, nachdem das Feuer sie losgelassen hatte. Nichts wuchs in dem wüsten Gemenge; sie wucherten noch unmerklich leise, das langsam lösende Wasser tat mit ihnen, Hitze und Kälte, der Druck der Schwere über ihnen, um sie. Chalcedon und Zeolith lag in den Blasenräumen des Basaltes. Seine dunklen Massen, meterdicke Kugeln Platten Fächer hielten fest die zerdrückten grünschwarzen Olivine, das Titaneisenerz, den eingewühlten Augit, Plagioklas. In den Bändern der tiefen Gesteinsgänge verschränkten sie sich glasig ineinander.
    Jetzt kam über die geronnenen Wesen etwas, das von Art der Flamme war. Wie wenn ein Mensch, der jahrzehntelang in der Fremde herumgeworfen wurde, um die bittere Notdurft des Lebens Tag um Tag rang und nichts als das Ringen Rudern Schlagen unter den Fremden mehr kennt, eines Mittags einem unbekannten Mann begegnet. Der übergibt ihm einen Brief von Hause, spricht ihn in der heimatlichen Sprache an und fragt ihn, was er so lange getrieben habe, er möge doch wiederkommen.
    Oder wie eine ungeliebt verheiratete Frau, die lange Zeit neben dem widerspenstigen rohen Mann lebt, ihm Kinder auf Kinder trägt, schon selber stumpf und gehässig ist, wie wenn sie sich plötzlich in einer Krankheit eines Jugendfreundes besinnt. Und er kommt, – es ist einer da, oh Wunder, der ihr die Bettdecke zurechtrückt, der ihr die Schnabeltasse an den Mund hält, während er mit der rechten Hand den schwachen Rücken stützt. Sie atmet stürmisch, und wie sie gesund wird, ist eine Stunde da, wo sie inmitten der kleinen Kinder in der Stube sich dem fremden Onkel an die Brust drückt, ihn küßt, ruhig küßt, und er führt sie mit den Kindern aus der Tür hinaus.
    Wie ein Volk, das vor Jahrhunderten besiegt und zerschlagen wurde, dessen Männer und Frauen sich zerstreuten, die Sprache wurde verboten, der Volksstamm verhöhnt, seine Sitten lächerlich gemacht; als Sklaven gingen die Männer in fremde Dienste, ließen sich in fremde Kriege führen. Und eine Anzahl fiel ab, glänzte in den fremden Völkern, die sie verachteten. Wie in einem solchen Volk heimlich junge Männer und Frauen auftreten, halbe Kinder; die treten zornig leidenschaftlich den Alten ihres Volkes unter die Augen

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