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Berge Meere und Giganten (German Edition)

Berge Meere und Giganten (German Edition)

Titel: Berge Meere und Giganten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Döblin
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Nacht vor dem Zelt, in dem der Weiße lag. Da wagten sich die Männer nicht an sie heran, wurden erbittert. Sie hielten sie durch falsche Wegangaben einige Tage in ihrer Nähe. Durch einen Trommler erfuhr die Frau, man hatte sich verabredet, den Weißen bei Tel Rimah zu erschießen. »Erschießen. Von weitem erschießen. Das glaub ich. Die Räuber.« Wie es finster war, weckte sie die Trommler, sie sollten die Pferde rüsten. Sie tastete sich im Dunkeln zu Holyheads Lager, schüttelte ihn. Er stammelte: »Wer schüttelt micht. Ich bin ja wach.« »Holyhead. Ich bins, – Djedaida. Steh auf. Wir müssen weg.« »Was ist?« »Auf. Wir müssen weg. Sie wollen dir ans Leben.« »Wer bist du?« »Djedaida. Oh Allah. So hör doch. Mach dich auf. Wir sind in einem Räubernest.« »Sie wollen mich töten? Sie wollen mich töten?« »Die Minute, die Minute, komm rasch Holyhead, wir können nicht warten. Wer weiß, was dir geschieht.« »Sie wollen mich töten? Oh guter Ort! Oh liebreicher Ort. Meine Segensstunde. Meine selige Nacht.« Er kniete in dem Sand. Sie packte seine Hand, griff an seine Schulter, faßte über seinen Mund: »Ich will nicht. Oh Allah. Erheb dich. Schrei nur nicht, Holyhead. Nur nicht. Nur nicht. Du wirst nicht schreien. Sie horchen. Du bist im Fieber, du weißt nicht, was ist und was du sprichst. Du wolltest nie essen; jetzt bist du so schwach. Sie wollen dich erschießen, es sind Anaze, aber Räuber, von fernher erschießen. Ich weiß nicht warum und wann. Vielleicht weil du ein Weißer bist. Sie sind schlecht. Mach dich auf.« »Ich will nicht! Ich will nicht. Ich werde nicht.« »Komm.« »Ich will nicht.« »Warum willst du nicht? Allah, Allah, was soll ich tun?« Sie lag auf dem Boden im Finstern, warf Sand über sich. Er tastete mit den gefesselten Händen nach ihr, die Haare hingen ihr verklebt vor dem Gesicht. Er stammelte, seine Stimme gebrochen, er lallte fast: »Das Spiel ist aus. Soll ich jetzt lachen? Jetzt läßt du mich los. Jetzt ist es zu Ende. Sie werden mich erschießen. Und ich soll dir helfen, daß alles weiter geht. Du bist süß, bist süß, Djedaida. Jetzt mußt du mich loslassen. Sie werden mich erschießen. Du kannst es nicht verhindern. Da fühl mich an. Ich bin es noch: Holyhead aus London, das ist er, Ingenieur Physiker, der die Ölwolken gemacht hat. Bald liegt er, war nichts, wie seine glänzenden Städte. Aber ich freue mich doch. Ich kann befehlen. Wenn ich schreie: Eins zwei drei, – bin – ich erschossen.« Er tastete nach der Zeltwand, stellte sich ganz auf die Beine: »Und du – bist gesättigt, meine Djedaida?«
    Sie ließ sich von ihm hochziehen, murmelte zitterte: »Schreckliches hat Allah über mich verhängt. Ich kann nicht von dir lassen. Ich kann nicht. Ich kann nicht. Du mußt leben. Ich muß dich bei mir behalten. Schreckliches hat Allah mit mir vor.« Er schwankte stöhnte: »Was ist das, mein Gott. Ich sagte, es ist aus. Du willst mich nicht loslassen.« Und er zog an der Zeltdecke, riß den Mund auf, mit gräßlich überschlagender Stimme grölte er: »Ich – will – nicht.«
    Da war die Raserei durch die Frau gezuckt, aus dem Herzen in ihre Arme und Beine gestürzt. Ächzend schnellte sie sich hoch, gegen den schaukelnden Rumpf des Mannes, rang stieß riß ihn um, zappelte winselnd an ihm: »Schrei nicht. Du kommst mit mir. Ich kann dich nicht lassen. Und wenn ich dich ersticke.« Sie stopfte ihren Schleier in seinen Mund, während sie ihn preßte; sie weinte streichelte küßte: »Allah, hilf mir. Verzeih mir, was ich tue. Allah, hilf. Komm mit, komm mit, sag ja. Du bist ja meine Seele. Du bist es. Schlag mich nicht. Ich will dich nicht töten. Allah, hilf.«
    Den Trommler holte sie, auf ein Pferd trugen sie den gebundenen Mann. Die Pferdehufe umwickelte sie. Durch die Nacht wehten sie davon.
    Zwei Tage irrten sie auf der Steinebene herum. Bis sie den El Habis hinter sich hatten, die Häuser von Damaskus auftauchten.
    Und so verängstigt war die Frau, in Furcht vor den Anaze, die ihr den Mann rauben konnten, daß sie noch lange in dem mächtigen Stadtreich herumzog, das Quartier wechselte, bis sie der Trommler zu dem Freund ihres Bruders führte.
    Einen Halbtoten hatte sie von Beni-Sochr nach Damaskus gebracht. Er lag verwirrt auf dem Zimmer, das sie ihm bereitete. Amulette von ihr aus blauen Perlen, Zauberfische Zauberschwerter um den Hals. Sie durfte sich ihm nicht nähern, der Trommler pflegte ihn. Sein Gebrüll, wenn sie eintrat: »Da kommt

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