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Berge Meere und Giganten (German Edition)

Berge Meere und Giganten (German Edition)

Titel: Berge Meere und Giganten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Döblin
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Küsten eines neuen Landes tauchten auf, gelbe Berge, weite leere Sandflächen. Bei Damaskus bestiegen sie Pferde. Während der ganzen Fahrt hatte der Weiße nicht das Gesicht Djedaidas gesehen. Als ein Trupp schwärmender Beduinen sie auf der steinigen Hochebene anhielt, Djedaida sich nannte, wurde der Weiße von ihr getrennt, zwischen die Männer genommen. Anaze mit Djedaidas Sippe lagerten bei Ed Daba.
    Die Frau bestellte ein Gericht, erklärte vor dem Scheich: »Bou Jeloud, meinen Mann, wollt ihr sehen. Ich hab’ ihn nicht. Er hat sich mit Wolken beschäftigt, auf denen er reiten will. Er hält nicht mehr zu uns. Ist kein Anaze.« »Wo ist er jetzt?« »Ich hoffe, er ist tot. Er wollte nach Island reiten, wo die Städte die Erde zerreißen. Ich hoffe, er ertrinkt mit seinem Pferd oder er verbrennt.« »Du haßt ihn sehr.« »Ich war seine Frau. Er hat mich verraten.« Der Richter blickte Holyhead an: »Berühr den Sand mit der Stirn, bevor du sprichst. Wer ist der Mann?« »Der Jeloud verführt hat. Ein Wesen –« sie brach in leidenschaftliches Weinen aus – »ich wünschte, das Meer hätte ihn verschlungen, bevor wir ihm begegneten. Wir hatten nichts als die Reise vor, Jeloud war neugierig, ich konnte ihn nicht zähmen. Der Mann hat sich Jelouds bemächtigt und sich alles Schlechten in Jeloud bedient. Bis er nicht mehr mein Mann war, sondern sein Diener, dieses Affen Diener, dieses Affen, der Spiegel für sein häßliches ziegenbärtiges Gesicht. Du Hund, sag belle, warum ich dich hergebracht habe. Bring es heraus, wenn du es fertig kriegst. Da steht der Richter.«
    Holyhead, die Hände auf den Rücken gebunden, zwischen zwei Lanzenträgern, betrachtete aus leeren braunen Augen die Frau. Sprach nichts. Sie warf sich auf den Boden: »Gib ihn mir. Ich will mich rächen. Muß ich mich nicht schämen, an diesen habe ich Jeloud verloren. Seinetwegen hat er mich verlassen. Gebt ihn mir.« Der Richter flüsterte lange mit den Männern: »Djedaida. Es tut uns leid, daß du ohne Bou Jeloud zurückgekehrt bist und uns nicht berichten kannst, wie lächerlich sich die Städter benehmen. Und wie die große Expedition nach Grönland, von der sie solch Aufhebens machen, verläuft. Deine Brüder sagen, es würde dich trösten, wenn du diesen Mann umbringst. Wir wollen ihn gar nicht ausfragen. Es lohnt nicht zu hören, was ein Ungläubiger sagt. Nimm ihn. Was du willst, tu mit ihm.«
    Darauf stellten die Brüder der Djedaida zwei Mann, die ritten und Trommeln an ihren Sätteln hatten. Auf einen Klepper hoben und banden sie Holyhead. Mit ihm ritten sie durch die Wüste und Hochebene, nach Südosten in der Richtung auf Beni-Sochr, trommelten durch die Ansiedlung und Lagerplätze.
    Djedaida in Witwentracht ritt neben ihnen. Der gebundene Weiße stöhnte. Einen Mundschleier trug er, fast nie öffnete er die Augen. Verlangte nichts zu trinken und zu essen. Schräg nach vorn abgesunken saß er, die Beine mußte man ihm unten zusammenbinden, das Pferd schaukelte ihn hin und her, kippte ihn fast um. Man flößte ihm abends Wasser und breiige Datteln ein. Er schlief nicht. Kniete halbe Nächte, verfluchte sich, Holyhead, sein Schicksal, die Städte, in denen er gelebt hatte, seine Eltern, seinen Leib und seine Seele. Der schwarze Bart wuchs ihm lang, die Backen fielen ihm ein. Wenn er sich zerrissen hatte, strömten ihm Tränen über das Gesicht. Bei Tag rüttelte ihn Djedaida wach, betrachtete ihn. Er sah nicht, daß sie manchmal von ihm weglief, sich versteckte, Gesicht und Brust schlug, sich in die Finger biß und nicht zum Weinen kam. Wenn er sich wie einen Klotz rütteln ließ und torkelnd dastand, zischte sie: »So will ich dich nicht. Was ist mit dir? Bist du ein Mann? Ha, du. Wir reiten weiter. Sieh mich an.« Aber er sah sie nicht an. Man trieb ihn auf den Klepper. Die Frau ritt neben dem zerlumpten hängenden Weißen. Kinder auf den Lagerplätzen warfen Sand und Hölzer nach ihm. Der Haß der Beduinenfrauen war groß, sie ohrfeigten ihn, hetzten ihn aufzuhängen, bespritzten ihn mit Pferdejauche. Wie sein Schatten Djedaida neben ihm. Bewachte jede Bewegung, die an ihm geschah. Mißtrauisch, die Lider senkend, drohend still.
    Die Männer von Beni-Sochr, als sie das hängende stumme Menschengerüst auf dem Klepper sahen, wollten ein Ende machen, die unersättlich rachsüchtige Frau von ihm unter einem Vorwand entfernen und ihn beseitigen. Djedaida fiel das Flüstern und Abseitsstehen auf. Sie hockte mit einem Hund in der

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