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Berge Meere und Giganten (German Edition)

Berge Meere und Giganten (German Edition)

Titel: Berge Meere und Giganten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Döblin
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gefürchtete Garde von Bewaffneten um sich. Die trugen Kappen und Masken, Stiefelschäfte bis an den Leib, waren Männer und Frauen. Tornister trugen sie auf dem Rücken, lanzenartige drahtumwickelte Stäbe in den Händen, standen an den Wänden und schienen keine Menschen zu sein. Die Königin hörte an, wer vor sie gebracht wurde. Wer sprach, mußte erzählen von sich, was er wußte. Darauf wurde er entkleidet und mußte weiter sprechen. Persephone besah und hörte die Menschen, Männer Frauen Mädchen Jünglinge, die vor sie gebracht wurden, von Schreck und Wut ergriffen waren, weinten, um Gnade flehten. Sie sagte: sie sei Persephone, die Königin der Unterwelt. Ob sie das Zepter in ihrer Hand nicht erkennten, ob sie nicht wüßten, daß man rasch erscheinen und da sein müsse, und daß zwischen jetzt und jetzt, Tod und Leben, Akker und Tod, Straße und Tod nur eine Sekunde liege. Die Sekunde sei übersprungen im Augenblick, wo sie die Kathedrale betreten hätten. Sie hätten ihre Arbeit zu lassen; die ginge weiter auch ohne sie; die sei ihre Hände nicht wert. Jetzt sei die Stunde für sie, die Königin Persephone, da. Ihr müßten gezeigt werden die Glieder, die Stimme, die Bewegungen; ob sie noch das Recht hätten zu leben oder herunterkommen müßten. Sie schrie, sich vom Sitz erhebend, das Zepter schwenkend, finster: »Es ist vorbei. Die Häuser Straßen Maschinen Äcker haben genug von euch. Ihr habt ihnen genug gegeben. Jetzt ist meine Stunde.« Aber wie sie sich setzte anhörte sah prüfte, nahm sie mit sich, was ihr behagte. Sie nahm aus ihrem schwarzen hochgetriebenen Haar die langen Nadeln, die zu beiden Seiten drin staken. Die warf sie zur Seite vor dem violetten Priesterwesen. Und vor wen die Nadel gefallen war, der wurde die Stufen hinaufgezogen vor sie.
    Es waren die starken Männer, die schönen schlanken weißen, Gatten und braune Jünglinge, üppige strotzende Mädchen und Frauen, die sie zu sich nahm und von der Erde verbannte. War eine tiefe Seligkeit, die Melise empfand, ihr Zepter zur Seite der Priesterin gebend, wenn sie den Mann, das Weib empfing, umarmte. Wie es sich wand, warm weich; sie wußten nicht, waren sie begnadigt oder verurteilt. Aber sie waren begnadigt. Die Königin zog sie an sich, war aufgestanden. Drückte die Gesichter an ihre Arme, die offenen schweren Brüste. Ihre Hände glitten an den Gesichtern Schultern Leib Schenkeln entlang. Sie berührte liebkosend die Heimlichkeiten der Leiber. Die Priester und Priesterinnen hingefallen auf die Knie sangen abgewandt Lieder. In dem Menschen, den sie umschlang, entstand eine sanfte Verwirrung. Träumend wild griff das an den Hals, der sich ihm bot, wühlte sich gegen den festlich grausigen Kopf, die starken Schultern. Da war sein Schicksal da. Der Kopf, der eben noch nach dem Mund Melisens gesucht hatte, bog sich leicht stöhnend beiseite. Der nackte Leib wogte hin und her, wie auf der Suche nach einer Bewegung, die er nicht fand. Während Persephone sich in ihren Stuhl fallen ließ, trunkene Augen, das Gesicht in schluchzender Verzückung, unter der düsteren und wimmernden Musik, die wellenartig aufquoll und toste, rollte von ihr der Mensch ab, der einer gewesen war und den sie jetzt beherrschte, in sich trug. Ein Leib in sie eingegangen, hergerissen von den Äckern, der Erde.
    Melise quoll auf von Wesen, die sie in sich aufgenommen hatte. Nicht mehr Persephone war sie, sondern Hades, die Unterwelt selbst. Ihr Gebiet, von Bordeaux bis über Toulouse reichend, hatte noch Bestand und England unterstützte die wachsende Kraft dieses Staates, als sie übersättigt ungesättigt hinschmolz. Die zarte kindliche feine, die sie zuerst gepeinigt hatte, die weiche Betise war die letzte, die sich ihr zu opfern hatte. Und die sich der Königin lange hingegeben hätte, wenn Melise, die wilde rastlose, sie gewollt hätte. Melise spielte mit ihr, schützte sie, ging um sie herum. Betise durfte auf keinem ihrer Züge zugegen sein, saß in einem schloßartigen Haus bei Bordeaux, bewacht von Frauen der Königin. Lange Monate suchte die Königin sie nicht auf. Auf abwesende liebevoll zerstreute halbstumme Stunden kam sie dann. Das zarte Wesen wußte, wenn Melise kopfsenkend verträumt vor ihr stand, daß sie nicht sprechen fragen durfte. Obwohl sie sie anbetete.
    Die Königin trat bei Betise ein, die auf einem Kissenbündel am Boden lag, schlafend von der Sonne bestrahlt wurde. Erst wie die mächtige stark ausschreitende Frau an die Kissen stieß,

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