Berge Meere und Giganten (German Edition)
noch wärmer hier als drin. Wie waren doch unsere Voreltern gut daran, die im heißen Land liefen und sich nur von der Sonne anziehen ließen.« Aus Melise kam nach einer Weile, als sie auf einer Wiese mit rotem Klee gingen und das Zittern der angeschmiegten Jungen nicht nachließ: »Und wer geht da neben mir. Sieh da, Betise. Du hast keine Furcht vor mir?« »Wie soll ich Furcht vor dir haben«, sie zog Melise, die folgte, auf das sanfte Grün. »Weißt du, was ich tue, weil ich, ich, Melise bin?« »Du Melise?« »Ja, ich.« Es blitzte in den schwarzen Augen Melises; ihr Gesicht belebte sich: »Ja, sei nur Melise. Ich hab’ dich gern. Tu einmal, tu’s an mir«, sie schrie, »sei Melise.« »Was soll ich tun?« »Was du magst. Wenn dus kannst.« Tränen stürzten aus dem Gesicht der Jungen: »Lieg still. Lieg still.« Wie ein Blockstumpf legte sich die braune Frau um. Die Junge streichelte ihre Füße die Hände, um sie kriechend. Sie streifte, während sie das Gesicht der Frau beobachtete, einen Ring von Melises kleinem Finger, den Ring, mit dem Melise ihre Liebsten tötete. Schon hing sie an Melises Hals, küßte sie, rieb die Wangen an ihr: »Persephone.« »Ich bin es nicht.« »Seis noch einmal. Für mich.« »Ich kann es nicht.« »Noch einmal.« »Ich kann nicht.« »Ich will aber, Persephone. Ich muß zu dir.« »Ich kann nicht. Ich bin nicht Persephone.« »Komm doch. Sieh mich an.« Melise öffnete die Augen, ließ sich hochrichten.
Die schwere braungelbe Frau ließ sich durch den Garten führen. Feistschenklig brustschaukelnd ging sie, von Betise umschlungen; der wilde schwarzhaarige Kopf schwankte vor der Brust. Sie seufzte im Gehen: »Es brennt. Die Füße brennen mich.« »Die Sonne ist hier heiß. Komm zum Bach. Da ist die Brücke. Da willst du hin.«
»Melise« schrie die zarte hellere, wie sie am Wasser unter der Brücke saßen, klammerte sich an die prallen Arme, die die Frau neben ihr hängen ließ, preßte den Kopf an ihren Hals. Die dämmernd stöhnte brusttief: »Was willst du also?« Betise fuhr fühlend, beglückt aufbebend, mit den Händen Gesicht über den Leib der Königin, die sich abwesend lang umlegte. »Ich lieb dich. Ich lieb dich, Melise. Ich will dir nur sagen, daß ich dich liebe. Daß ich dich so lange, ohne Anfang und Ende lange erwartet habe. Und daß du da bist. Gib mir deinen Mund, sag: du bist meine Freundin.« »Deine Freundin«, murmelte die andere. Betise: »Deine Freundin, ich bin es, du Hals du Kopf und Haar du nasses Haar du Brust du Arm hier und da, du Leib. Kommt, liebe Augen beide, ich will euch wohltun. Ihr seid trübe. Ich muß weinen, schreien, wenn ich euch sehe. Geht nicht auf.« Und schob, eine Hand über Melises Augen und Nase gelegt, an dem schweren Körper. Er regte sich nicht. Da kreischte sie: »Ich rolle dich, rolle dich, Melise.« Und stach ihr drehend rollend die Nadel des Ringes zwischen die Rippen. Widerstandslos rollte der schlaffe Leib auf das Gesicht auf den Rücken auf das Gesicht, rutschte die graue Böschung ins Wasser ab. Der Kopf Melises hob sich schnappend noch im Wasser auf. Die andere drückte, ihr nachspringend, an ihr liegend, den Kopf zurück, überschrie Schmerz und Angst: »Nicht wieder aufgehen, Augen. Bist im Wasser. Bist im Wasser. Es ist ja gut. Ich singe über dir. Hör mich, Melise. Ich bin ein Hänfling. Du fliegst mit mir. Jetzt, jetzt, wir fliegen ganz hoch, so weit meine Stimme reicht. Höher. Ja, wir fliegen riesenhoch. – Süße Melise, ich bitte dich. Du machst mich nicht mehr weinen. Deine Augen gehen nicht mehr auf.« Sie zog ihre Hand ab, aus dem Wasser, küßte sich die nassen Finger: »Genug, arme Hand. Zitterst so. Ich auch. Genug.« Warf sich über die verschattete Böschung zurück, das Gesicht am Gras reibend, mit den Zähnen Gras mahlend: »Wir zittern allesamt. Meine süße Königin, ich habe dir das getan.« Sie kauerte unter der Brücke, die Kniee angezogen: »Diese Brücke haben ihre Augen zuletzt gesehen. Ich bleibe unter der Brücke. Ich kann sie liegen sehen, der glatte braune Rücken, die blanken Beine. Das Wasser springt daran hoch. Da liegt meine süße Königin. Oh wohl habe ich ihr getan.« Lange saß sie still da, manchmal ihre Finger betrachtend, die trockneten, sich die Haare streichend: »Sag nicht so. Sag nicht so. Warum soll ich mich ertränken. Ich lieb sie ja. Es muß einer da sein auf der Welt, der Melise liebt. Bleibe alles, wie es hier ist: Brücke Schatten Sonne Garten Melise. Bleibe
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