Berge Meere und Giganten (German Edition)
war, der sie genommen hatte. Er hatte sie genommen, denn sie wollte von Männern nichts wissen. Melise, die Fäuste mit der Bürste und einer langen Nadel in die breiten Hüften stemmend, stand speichelnd, rot- und dickgesichtig vor dem über den Teppich gekrümmten halbnackten Mädchen, dem sie die Kleider abgerissen hatte, um zu sehen was an ihr war. Das blutende verängstigte Wesen, dem die Tränen schmierig auf den Teppich liefen über die zerstichelten Backen und aus der Nase mit den Blutstropfen, blickte hilflos und jammernd, speiend und sich verschluckend, am Teppich sich abtrocknend und hingewunden zu der rasselnden gewaltigen Frau auf. Plötzlich wurde diese Frau unter einem Blicke von dem Gefühl des Abscheus vor sich selbst getroffen. Sie nahm die Fäuste aus den Weichen, besah sich Bürste und Nadel, legte sie nachsinnend langsam auf einen Tisch. Seitlich blickte sie zu dem Mädchen herunter, das ihr aufmerksam, stärker verängstigt mit den Blicken folgte. Das Wesen, fühlte Melise, konnte für nichts, sie war nicht schuldig; der Mann hatte sie genommen, der Mann tat mit dem dummen Wesen, wie früher immer Männer mit Frauen taten. Der Mann schweifte herum, nahm die, morgen die, ein verfluchtes Geschöpf. Melise dachte keinen Augenblick an sich. Grollend kniff sie die Augen zu, schlug ein paarmal mit der Bürste auf das Mädchen ein, zog sie dann, die sich sträubte und zappelte, und stach sie mit der langen Nadel durch den Handteller, die Hand des Mädchens zwischen ihre Knie klemmend. Die Nadel ging durch die Hand der kreischenden wühlenden augenaufreißenden Person, ging in Melises Knie, die den Schmerz sich zusammenkrampfend einsog und wie das Mädchen stöhnte aus offenem Mund mit zurückgebogenem Hals. Die Nadel hervorziehend wegwerfend sank sie auf den Teppich, stöhnte. Nach dem jungen wegschnellenden Wesen hangelte sie ins Leere mit den Armen, schlüpfte ihr dann, sich am Boden hinziehend nach, drückte den zurückzuckenden Kopf, den sie an den Haaren erfaßte, unter ihren auf den nassen Teppich, heulte, ahmte das Wimmern des Mädchens nach. »Komm« seufzte Melise »du bist mein. Es geschieht dir nichts. Sie sollen uns nichts tun. Es soll uns niemand etwas tun. Dir nicht und mir nicht. Es soll keiner etwas wagen. Oh tut das weh. Ich bin es satt. Hab ich dir weh getan. Bleib hier. Bleib bei mir.« Und das zerschlagene gepeinigte Mädchen mußte das aufgelöste stöhnende bettelnde Weib hochziehen, sie an einen Sessel führen, wo Melise hinsank, sie an sich zog, auf die Knie an den Leib zog, das Gesicht an den zerstochenen kleinen Brüsten rieb: »Oh. Was ist das für ein Leben. Solche Mörder haben wir um uns. Wenn ich die Mörder beseitigen könnte. Sei mir nicht böse. Bist du mir böse, seid ihr mir böse, schlimme Lippen, armes Händchen. Heilt alles. Wir werden Rache nehmen.« Und das Kind schlang einen Arm um die Frau. Die Frau fühlte eine Zärtlichkeit, die sie erstaunen machte, eine wohltuende erweichende Zärtlichkeit unter dem lächelnden Blick aus diesem zerschrammten hochgequollenen Gesicht über sich heraufziehen. Ein Kind, fühlte sie, das ist ein Kind. Was bin ich auch für ein Kind. Blieb das Gesicht andrückend an den Quell der aufsteigenden Zärtlichkeit.
Diese mißlungene Tötung besiegelte Melises Schicksal. Sie wurde jähzorniger herausfordernder als je. Hatte kein Gleichgewicht mehr zwischen Männern und Frauen. Unverändert lehnte sie die Lockungen der Frauenbünde finster ab; Männer mochte sie nicht.
Sie hatte die Laune sich aus einem dunklen Grunde Persephone zu nennen. Dies geschah lange Zeit bevor irgendeiner und auch sie wußte, was sie damit meinte. Persephone war sie, die Königin des Totenreichs, die ein schlimmes totes und todwürdiges Wesen von der Erde geraubt hatte und in die Finsternis zog. Sie wollte Persephone sein. Ihre Totengerichte in der Kathedrale bei Toulouse wurden berüchtigt. Die Priester waren erschreckt und konnten nicht mitmachen. Melise lachte, versteckte Frauen in die Priesterkleider, die mußten neben ihr stehen; aber doch konnte sie immer einige und gerade die mächtigsten der Priester neben sich sehen, die sich vor ihr fürchteten und die sie im Zaume hielt. Sie ließ Bauern Arbeiter auf der Straße in den Häusern auf den Äckern aufgreifen. Verlangte, violett und schwarz am Altar thronend, bunt geschminkt, blutrot grell beide dicke Lippen, blau umrandet die Augen, von ihnen Rechenschaft. Sie hatte wie ein mittelalterlicher Fürst eine
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