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Berge Meere und Giganten (German Edition)

Berge Meere und Giganten (German Edition)

Titel: Berge Meere und Giganten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Döblin
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Dessen Funken nicht aufhörten, bis weiße Asche wie Flugsand auf ihm tanzte.
    Früh sahen die Machthaber die Gefährlichkeit ihrer Waffen für sich selbst ein. Suchten über das Mißtrauen, das sie gegeneinander hegten, hinwegzukommen. Niemand konnte wissen, wohin den einen Eifersucht plötzlicher Zorn Erbitterung treiben konnte. Man sah sich und den andern seinen Trieben wehrlos ausgesetzt wie einen Träumer seinen Einfällen. Wie sie oft finster vor Wäldern standen, auf einem Balkon die hellbestrahlten Wipfel der Bäume betrachteten; diese tiefgrünen Nadelhölzer, die in riesige schweigsame Höhe ihre gelbbraunen Zapfen streckten, ruhig hinwuchsen: und der Mensch in sich wühlt, bewegt sich, wühlt.
    Furchtbar wurden Annäherungsversuche unter ihnen erschwert durch das Zusammendrängen der Frauen zueinander, durch den nicht nachlassenden Kampf der Frauen um die Vorherrschaft. Die Männer der Staatskörper, die Überwachungsausschüsse konnten sich nicht verhehlen, daß sie ihres Lebens nicht sicher waren. Es war nicht ruchbar geworden, was die Mailänder Frauen bei der großen Farbigenrevolte den Fremden vorgeschlagen hatten; es war aber klar, daß überall verräterische Gedanken bei den Weibern umliefen. Keine Möglichkeit bestand, die Frauen aus den Senaten auszuschließen, ja die Männer dachten nicht daran. Kraftvoll sicher zäh waren die Frauen, ihre Stärke ihr Wille Geist waren unentbehrlich. Bei zahllosen Männern dieser Periode bestand schon voll die Neigung vor den Weibern den Rückzug anzutreten. Aus den mächtigsten Familien zogen sich Männer von Ämtern und wichtigen Dienststellen zurück, um nicht mit Frauen zusammenzustoßen. Die Überwachungsausschüsse waren der gefährlichste Ort; hier durfte man einer Auseinandersetzung nicht ausweichen. Man machte offen einen Burgfrieden. Im geheimen blieben beide Parteien auf der Hut, sannen darauf sich Waffen zu reservieren.
    Das drei- und vierundzwanzigste Jahrhundert brachte die große Veränderung Afrikas: den ostwestlichen breiten Durchstich der Küste südlich der Kanarischen Inseln in der Linie Cap Blanco und Bojador, die Wasserüberflutung der tiefliegenden Wüsten von Igidi Tanesruft Afelele bis zum Westrand des Tümmogebirges. Der schwere afrikanische Kontinent wurde aufgelockert und getrennt durch das Saharische Meer.
    Schon waren die Weltmächte auf zwei reduziert, die Londoner und die indisch-japanisch-chinesische. Die Stadtschaften waren Wesen geworden, durch die die Sonne scheint; an dem Boden liegt das Licht überall um sie, aber sie haben nicht aufgehört zu sein. Wie die Stadtschaften sich ausdehnten, erhöhte sich überall der nationale Glanz. Prunkhaft erhöhte er sich unter dem abgestorbenen absterbenden politischen Leben. Die Mächte der Landschaften und Staatskörper wandten überall dieselbe Methode an, zu der sie getrieben wurden durch den Drang sich zu behaupten und die Apparate, um die sie sich gruppierten: die Methode des Erregens Sättigens Mästens Überfütterns. Die Fette nach der Kastration, die Gespreiztheit Sanftmut Huld und Süße der Eunuchen stellte sich ein, der fratzenhafte ohnmächtige Impuls. Man schonte die Eigenliebe der Massen. Die Überwachungsausschüsse gingen geheimnisvoll durch die Völker, aber schon aßen die strengen herrscherischen Familien selbst von dem Gift, das sie auslegten. Die Fülle der Erfindungen ließ nach, man lebte vom Überkommenen, ordnete unter sich zukommende Rechte Aufgaben. Und am raschesten entarteten die Frauen. Gigantische Figuren gab es um diese Zeit unter ihnen, großartig in Wollust und Herrschsucht. Was früher in phantastischer Weise aufkommende Negerschläge leisteten, wurde jetzt ihr Werk: Staaten der willigen kapaunenhaften Menschen zusammenschließen, rasch und hitzig sie aufbauen, sich in Glorie wiegen, um früher oder später von einer Kleinigkeit, etwas Übersehenem sehr Sichtbarem, von einem Nachbarstaat oder von London beseitigt zu werden.

    WIE UNGEHEUER hat Melise von Bordeaux gewütet. Das Weib, in dessen Adern Nigritierblut floß, gemischt mit dem der italienischen und westfranzösischen Landschaft, übersprang alle Abkommen, die ihre marklose kindische Umgebung unter sich schloß. Sie beobachtete, wie man sich Genüssen überantwortete, dabei weich und weicher wurde und zog eine Gruppe Menschen um sich zusammen. Sie war von wildester sinnlicher Leidenschaft, zugleich kalt und abstoßend, selber leidend. Wie eine Riesenschlange umfaßte sie ihre Liebhaber und

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