Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Berge Meere und Giganten (German Edition)

Berge Meere und Giganten (German Edition)

Titel: Berge Meere und Giganten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Döblin
Vom Netzwerk:
waren außer Rand und Band; ihre Macht hatte sie zum Toben gebracht. Wie konnte man fliehen. Schächte eingestürzt, der Zugang zu den Mekifabriken verschüttet. Durch alle Risse quollen die Menschen herauf, verstopften die Wege. Dem Geheul der Tiere lief man entgegen. Wo das Geheul war, war eine Öffnung. Mentusi und Kuraggara, Gestalt um Gestalt wechselnd, tosten; Glück rasselte in ihren Kehlen: »Tummtumm! tumm tumm!«

    DANN LIESSEN sie das kreischende London los, das Strudeln krabbelnder zitternder Menschen. Es durstete sie nach Cornwall zu Delvil. Fünf Giganten waren hinter ihnen her, die letzten, die London gemacht hatte. Zwei hüpften als Heuschrekken, hoch wie ein Mann, rieben die glashellen pergamentenen Flügel gegen die Hinterschenkel, daß Schrillen mit ihnen lief. Sie schnellten sich mit dem letzten spitzwinkligen Beinpaar, flügelausbreitend, hoch, schossen im Satz über die Gesteins halden. Die drei anderen flogen als gelbe Wolken von Blütenstaub. Der Staub schwankte und löste sich manchmal, dann ballte er sich zusammen, schoß vorwärts wie ein geworfener Stein.
    Durch den Dartmoorwald ging Delvil; Cornwall verließ er eben. Eine gelbe Wolke, wie ein Mückenschwarm singend, legte sich weich vor seine großen dunklen Augen. Er hob einen Arm, um den Schwarm zu verjagen. Der legte sich dichter, nach Linden duftend, an, schwoll über seinen Nasenrücken gegen den Mund. Die Schlangen aus seinen Weichen zuckten auf, gegen eine Wolke, die sich um die Hüften legte. Die Schlangen rissen peitschend hochschnellend Spitzen von Tannen ab, zersplitterten Äste. Unter dem Hagel der Baumstücke wichen die Heuschrecken, die sich schrillend näherten, durch den schwarzen Wald. Delvil wandte seinen Rücken gegen die Wolken, nieste wischte sich die Augen mit dem behaarten Arm. Und wie er tief atmete hustete spie, – das Summen näherte sich von rückwärts seinen Ohren, er beugte den Kopf, – zerriß das Gelächter Mentusis und Kuraggaras die Luft. Ihre Flügelschläge sausten über den Tannenspitzen. Sie krächzten; rostbraun ihre gierig vorgestoßenen fast nackten Hälse; die Federn der Halskrempe grau; und sie flatterten in der Luft. Da erkannte Delvil die Giganten, mit denen er kämpfte. Er war auf dem trüben suchenden Wege wieder nach dem Festland gewesen. Er griff mit den Fäusten nach seinen Ohren, an seinen Mund, in die kitzelnden Wolken des Blütenstaubs. Die Massen, die auseinanderglitten, faßte er krampfend zwischen die Finger, quetschte, zerwarf sie, stieß mit den Ellbogen die aufdrängenden, zueinander quellenden Wolken zwischen seine Knie. Da klemmte er sie fest. Der Staub verfärbte sich, wurde rot, glühend. Aus dem Summen war ein rasch abbrechendes Zischen Zwirbeln wie ein Drosselschlag geworden. Die Schlangenmäuler weit gesperrt schnappten schlürften schluckten an der wallenden Masse.
    Während die Schlangenleiber kuglig anschwollen und sich wurmartig drehten rollten schaukelnd abplatteten, hob Delvil wieder den mähnebeladenen Kopf, auf dem Tannenäste lagen. Langsam drehte er sich um. Die beiden Gänsegeier, die Weißköpfe, mit schlaff hängenden Flügeln, die Schultern hochgezogen, krächzten ihn von den Baumgipfeln übermütig an. Brüllte Delvil: »Ihr, Kuraggara, Mentusi, ihr seid’s.« Mentusi lachte: »Sieh dir den Haken an meinem Schnabel an. Damit zerreiß ich dir das Fell.« Kuraggara: »Ich bin heut schmutzig. Heut war es nicht Pferdeaas. Heute war es Menschenaas.« Keuchte Delvil. Seine schwarzen feuchten Augen traten hervor. Lange sprach er nichts. Dann brüllte und weinte er: »Das tut ihr. Das tut ihr. Darum ist alles geschehen. Den großen Krieg geführt. Grönland befahren. Die Drachen verjagt.« Kuraggara hob sich auf den blaugrauen Fängen: »Von Grönland kommen wir. Darum sind wir lustig. Die Drachen haben wir gesehen, unter Eis. Jetzt sind wir die Drachen.« »Du, Kuraggara, bist. Und du, Mentusi, bist. Und Pferde freßt ihr. Und Menschen freßt ihr.« Und Delvil weinte. Sein Leib war in einem furchtbaren Schütteln. Die Geier flogen rückwärts. Winselnd und leise fauchend trat aus der Magengrube Delvils der korallenrote Riesenpolyp, die Purpurrose; die Wimpern der hundert Fangarme schlugen heftig; die Fangarme krümmten sich über den Mund. Und plötzlich während die Schlangen Springbrunnen von Wasser in Stößen hochschleuderten, fuhren Steine Baumstücke aus dem würgenden Schlund des leuchtend hochgehobenen starken Polypen; die Arme erzitterten; wie Augen

Weitere Kostenlose Bücher