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Berge Meere und Giganten (German Edition)

Berge Meere und Giganten (German Edition)

Titel: Berge Meere und Giganten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Döblin
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meiner Freundin. Ich hätte sie wochenlang nicht gesehen, sie sei mir entrissen, oder ist sie selbst fortgegangen. Ich traf sie schwebend über einer Straße, die ich selbst ging; sie konnte nicht herunterkommen. Ich ging und ging, streckte die Arme nach ihr aus, sie glitt weiter. Aber da wurden meine Arme lang, wie Ballons wurden sie, die mich zogen und trugen. Erst hing ich unter und hinter ihr, dann wurde ich höher gezogen. Sie hatte sich zu mir umgedreht. Und wie ich gerade aufwachte, in Frieden und Glück –« »Was war, Jonathan?« Der schwieg, lächelte zu Boden. Leise Marduk: »Ich weiß doch, was war. Da lagst du an ihrer Brust. An der Brust dieser Frau.« Freundlich lächelte Jonathan. »Was erzähl ich dir da.« »Ich wollte nichts anderes von dir.« Sie sprachen noch eine Weile weiter; Marduk wurde einsilbig, aber er ließ die Augen nicht von Jonathan. Er schien aufzuatmen, als der Jüngere sich erhob. Das Sprechen beim Abschied schien ihm schwer zu werden, sein Gesichtsausdruck war ganz unkenntlich, ein Lächeln kämpfte mit einer Erstarrung.
    Und kaum der weiße selige Mensch, freudestrahlend rosengesichtig, gegangen war, schlug Marduk, sich gegen die Wand pressend wild um sich starrend, von seinem Drang überwältigt, die Glocke. Die Wache erschien lautlos. »Jonathan soll eine Stunde zurückgehalten werden. Man soll in seine Wohnung schicken. Eine Frau ist da, ich will sie sehen.«
    Nach einer halben Stunde senkten sich Flieger vor dem kleinen hügelversenkten Haus Jonathans, fragten nach der Frau. Als Elina sich verwundert, eine Rose in den Mund nehmend, vor das Tor begab, baten sie sie im Namen Marduks, ins Ratsgebäude zu folgen. Sie geleiteten die Verwirrte, die an dem Blumenstengel wortlos kaute, schon hinaus.
    Im selben Raum, wo Jonathan, wie aus Träumen quellend, glückselig weiß gekleidet vor ihm aufgetaucht war, empfing sie Marduk, der graue, sein zitronengelbes Kleid dicht um sich ziehend, sah ihr entgegen: »Du bist die Frau, die Jonathans Freundin ist.« »Ja. Ich heiße Elina.« »Du ängstigst dich vor mir ohne Grund. Da ist ein Sessel, setze dich.« »Ist Jonathan hier.« »Er war hier. Ich habe mit ihm gesprochen. Er ist mein Freund. Er hat mir von dir erzählt.« Sie saß, blickte an sich herunter. Nach einer Weile strich sie das Kleid unter ihren Knien zurecht: »Ist Ihre Neugierde nun befriedigt?« »Nein, Elina. Ich weiß, Jonathan wird mir zürnen. Ich kann mir nicht helfen. Man hätte dir Zeit lassen sollen, dich anzuziehen. Du frierst. Du bleibst heute bei mir.« »Was.« Mit tiefer Sicherheit gab Marduk von sich: »Ja. Es bleibt nichts übrig. Du brauchst nicht zu widersprechen. Du bleibst hier. Sei nur still, Elina. Nichts geschieht dir, was dich ängstigen muß. Fürchte dich gar nicht vor mir.« Stürmisch erhob sie sich: »Ich bleibe nicht.« »Jonathan weiß, wo du bist. Er wird es erfahren. Du mußt hierbleiben. Sei nur nicht erregt.« »Laß mich hinaus. Marduk. Du bist schlecht. Ich hab es schon gewußt, daß du schlecht bist. Du hast mit ihm gesprochen, daß du mich holst?« »Nein, Elina.« »Siehst du, wie niederträchtig du bist.«
    Sie rüttelte an der Tür. Die bewegte sich nicht. Sie stand, die Fäuste hebend, einen Schrei ausstoßend, vor ihm, rüttelte an seinen Schultern: »Laß mich hinaus.« Er bewegte sich nicht.
    Das Fenster riß sie auf. Da zuckte er hoch, wich zurück, hob den Arm vor die Augen. Sie rief am Fenster: »Ich tue es, Marduk. Wenn du mich nicht fortläßt, ich tue es.« Tiefblaß war er plötzlich geworden, seine Gesichtsmuskeln zuckten, die Augen geschlossen. Er brachte seine Lippen zu einer Bewegung; seine Stimme tonlos: »Elina. Tu es nicht. Tu es nicht.« Sie wurde stiller, warf sich zu Boden, wimmerte, sonderbar verwirrt und angerührt: »Ich will fort. Ich will Hilfe. Jonathan, hilf mir!« Langsam ließ Marduk seinen Arm herunter. Er öffnete seine Augen, sie lag ausgestreckt da. »Ich hab dich nicht hingeworfen. Du hast es allein getan.«
    Er sah sie nicht mehr an. Sie suchte, wie sie sich aufrichtete und stand, seinen immer abgewandten Blick zu haschen. Ein unsicheres Gefühl war in ihr, als hätte sie ein Unrecht getan. Nichts sagte sie mehr. Ein leiser Schmerz war in ihrer Brust, als er sich stumm zur Tür bewegte. Sie war bestürzt, aber leicht befriedigt, als sie hörte, wie er leise sagte, den Blick am Boden: »Sei unbesorgt. Es geschieht dir nichts. Man wird dich auf ein Zimmer bringen.« Und noch, während sie von einer

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