Berger, Fabian
gekommen war. Immer wieder hatte er den Einsatz vor seinem inneren Auge Revue passieren lassen und immer wieder kam er dabei zu dem Ergebnis, dass ihn am tragischen Tod seines Partners keine Schuld traf. Dennoch nagten die Vorwürfe an ihm wie eine hungrige Ratte.
Saarfeld hatte ihn heute Morgen darum gebeten, diesen neuen Fall zu übernehmen. Obwohl seine Situation es ihm durchaus erlaubt hätte, hatte er die Bitte des Polizeichefs nicht ablehnen können und eingewilligt.
»Dann wollen wir uns mal an die Arbeit machen«, schlug Tornsen vor. Dabei deutete er mit einem Kopfnicken auf den leblosen Körper in der Mitte des Raumes.
Lorenz lauschte aufmerksam den Ausführungen des Rechtsmediziners. Der Gestank verwesenden Fleisches drang in seine Nase.
»Also. Wir haben hier eine männliche Leiche. Alter: etwa fünfunddreißig bis vierzig Jahre. Besondere Merkmale: Schussverletzung im Nackenbereich und ein klaffendes Loch an der linken Schläfe.«
Lorenz senkte den Blick auf den entstellten Leichnam, dessen Kopf fast sakral von einer blutroten Korona umgeben war.
»Ob die Todesursache aus dem Genickschuss oder der seitlich offenen Schädeldecke resultiert, kann ich noch nicht mit Gewissheit sagen. Das wird sich bei der Obduktion herausstellen. Der Todeszeitpunkt…« Tornsen zögerte und legte nachdenklich den Zeigefinger auf die Lippen. »Da tippe ich auf Samstagnacht oder Sonntagmorgen.« Er blickte konzentriert auf seine Armbanduhr.
Lorenz kniete sich hin. Sein Blick glitt über jedes äußerliche Detail des Toten und endete an der offenen Schädelverletzung. »Das muss aber ein ordentlicher Schlag gewesen sein.« Er deutete auf die klaffende Wunde an der Schläfe. Erst jetzt sah er blutverschmierte Gehirnmasse aus dem Schädel hervorquellen. Die feinen Adern des Nervengeflechts hatten sich dunkelbraun verfärbt. Die Kopfhaut hing wie ein Lappen herunter.
Tornsen setzte seinen Vortrag über die bisher gewonnenen Erkenntnisse fort und korrigierte Lorenz’ ersten Eindruck. »Nein, nein. Die Schädelverletzung wurde nicht durch einen Schlag hervorgerufen.« Er beugte sich nach vorne und fuhr mit dem Finger um die Öffnung herum. »Sieh dir die Wunde genau an. Die Knochen wären an diesen Stellen unregelmäßig herausgebrochen und die Splitter hätten sich in der Wunde festgesetzt. In diesem Fall sind die Kanten vollkommen glatt und gerade. Von dem fehlenden Stück des Schädelknochens fehlt allerdings jede Spur.«
Lorenz war irritiert. »Was soll das ...?« Noch bevor er seinen Satz beendet hatte, verstand er, was Tornsen ihm sagen wollte. »Du meinst, der Schädel wurde ... aufgesägt?«
»Genau das vermute ich.« Tornsen wies auf eine hellbraune Spur, die vom Kopf des Opfers wegführte und sich auf den Holzdielen gesammelt hatte. »Dieser getrocknete Schleim ist eine Mischung aus Blut und Knochenmehl. Aus diesem Grund ist die Farbe auch deutlich heller als getrocknetes Blut. Die zahlreichen Spritzer in der Nähe des Kopfes deuten wohl auf eine rotierende Säge hin, mit deren Hilfe der Schädelknochen geöffnet wurde.«
Lorenz war fassungslos. »Warum zum Teufel ...«
Tornsen fiel ihm ins Wort. »Das weiß ich auch nicht.«
Eine kurze Zeit des Schweigens unterbrach die Unterhaltung. Dann richtete Lorenz sich auf.
Ein junger Beamter stand etwas abseits. Mit einem verlegenen Räuspern bat er um Aufmerksamkeit. »Herr Hauptkommissar?«
Lorenz drehte sich zu ihm um.
»Wir haben die Identität des Opfers feststellen können.« Der Polizist reichte ihm ein Blatt Papier.
Er nahm es entgegen und las daraus vor. »Jens Korte. Geboren am 14.04.1971 in Köln.« Er hielt den Personalausweis zur Leiche hin und verglich das Foto mit dem bleichen Gesicht. »Gut geschätzt, Tornsen.« Er steckte die Unterlagen ein und machte ein paar Schritte durch die Wohnung. »Ich kann wohl davon ausgehen, dass der Täter die Tatwaffe nicht zurückgelassen hat. Was haben wir sonst noch über diesen Korte?«
»Nicht viel«, erwiderte der junge Beamte. »Einer der Nachbarn beschreibt ihn als einen sehr höflichen wenn auch zurückhaltenden Menschen, der ...«
Lorenz unterbrach ihn: »Ich meine, welchen Beruf hatte er, war er verheiratet, hatte er Kinder, wie sieht es mit Verwandtschaft aus.«
Verunsichert fuhr der Kollege fort: »Bisher haben wir keine Angehörigen ausfindig machen können.«
Lorenz’ Blick wanderte aufmerksam über Wände und Möbel. Nur wenige persönliche Gegenstände schmückten den Raum. Die gesamte
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