Das Horror-Telefon
Das Telefon klingelte, und Yvette Taylor schrak zusammen! Schlagartig verlor ihr Gesicht an Farbe. Das Läuten drang schrill in ihr Gehirn, es peinigte sie, es schmerzte, und es riß sie aus ihrer Erstarrung.
Yvette stand auf, verließ den Balkon, ging in ihre Wohnung und schritt dem Klingeln entgegen. Zuerst, sie nur die Hand auf den Hörer, wartete ein weiteres Schrillen ab, bis sie den Hörer abhob.
»Hallo…?« Ihre Stimme klang ängstlich und flüsternd.
Keine Antwort.
Noch einmal versuchte sie es. »Halloooo…«
Diesmal echote die Stimme in den Hörer hinein, als stünde sie vor einem langen Tunnel, in den sie hineingesprochen hatte. Yvette lauschte ihrer eigenen Stimme nach, die in der Ferne verhallte. Sie schwebte regelrecht der Unendlichkeit entgegen.
Der Anrufer meldete sich nicht.
Die junge Frau legte wieder auf.
Plötzlich fror sie…
***
Ed Edson hatte uns gerufen, und wir waren seiner Einladung gefolgt.
Wer war Ed Edson?
Eine Berühmtheit, einer, den viele kannten und trotzdem nicht zu Gesicht bekamen. Ed war der Mann aus dem Radio, er war die Stimme, die auch von 22 Uhr bis Mitternacht hohe Einschaltquoten garantierte. Ed Edson schaffte es, den ach so aufgeklärten Menschen einen Schauer zu bringen, denn er war The Voice – die Stimme. Oder aber, wie er sich selbst auch bezeichnete, der heiße Draht zum Jenseits.
Es war der Moderator mit der Softstimme und er schaffte es, mit den Toten zu sprechen. Ed stellte die Verbindung zwischen dem Diesseits und dem Jenseits her, er überbrückte das, was normal nicht zu überbrücken war, und er brachte die Zuhörer dazu, per Radio und durch seine Vermittlung mit ihren verstorbenen Toten und Verwandten zu sprechen.
Jetzt hatte er uns gerufen.
Persönlich kannten Suko und ich diesen Mann nicht. Wir waren auch keine regelmäßigen Hörer seiner Sendungen. Er arbeitete für einen Privatsender, wurde dort gut bezahlt, und ich hatte höchstens mal durch Zufall hineingehört.
Klar, da war es nicht ausgeblieben, daß auch ich die Stimmen vernahm, die aus dem Radio drangen. Ob sie aber tatsächlich irgendwelchen Verstorbenen gehörten, das wagte selbst ich zu bezweifeln, der ich ja nun einiges gewohnt war, ebenso wie Suko.
Nun wollte uns Ed sprechen, und seine Stimme hatte sich angehört, als wäre er nicht zu einem Spaß bereit. Zudem hatte er es auch ziemlich dringend gemacht.
Suko saß neben mir und stellte immer wieder die Frage, ob ich mir einen Grund vorstellen konnte.
»Kaum.«
»Melden sich bei ihm nicht die Toten?«
»Das behauptet er.«
»Andere Frage. Was denkst du darüber?«
»Ich weiß es nicht. Er kann ein großer Scharlatan sein. Du hast doch selbst seine Stimme gehört. Kam sie dir so vor, als wollte er uns etwas unter die Weste jubeln?«
»Kann ich nicht behaupten.«
»Ja, und so sehe ich das auch.«
Wir waren beide nicht bester Laune. Viel hielten wir nicht von Edson.
Jedenfalls wollten wir uns nicht als Werbeträger vor seinen Karren spannen lassen, wenn er später in einer Sendung behauptete, daß er selbst von Geisterjägern besucht und um Rat gefragt worden war. Das würden wir ihm schon früh genug klarmachen.
Ed Edson lebte außerhalb von London. Wenn er sendete, dann nicht aus dem Studio, sondern aus seinem Haus, in dem er natürlich auch ein Studio eingebaut hatte. Dazu gehörte ein kleines Büro, das von einer Sekretärin besetzt war.
Am Ende einer kleinen Straße stand sein Bungalow. Ein Haus mit weißen Wänden und mit einem von Antennen bestückten und geschmückten Dach. Sogar eine Schüssel sahen wir über dem Haus, und wie selbstverständlich kamen uns die Überwachungskameras in der Nähe des Eingangs vor. Wir stoppten vor einem hellen Zaun, der ein Stück Rasen umfriedete. Auf ihm wuchs ein einsamer Baum, dessen Zweige beinahe bis an das Haus heranreichten. Große Fenster fielen uns auf, aber durch keines konnten wir hindurchschauen, weil lange Faltrollos davorhingen und die Räume vor Sonnenstrahlen und Blicken schützten.
Wir stiegen aus. Wer hier wohnte, der mußte sich die Einsamkeit schon leisten können, denn diese südwestliche Ecke von London war einfach schweineteuer. Das brauchte einen Mann wie Ed Edson nicht zu kümmern, der wurde von seinem Sender sehr gut bezahlt, denn zwischen seinen Gesprächen und eingespielten Aufnahmen lief noch immer Werbung, für die der Sender wegen der großen Hörerbeteiligung ein hohes Honorar kassierte.
»Wie stellst du ihn dir vor?« fragte Suko, als wir unter
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