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Bergfriedhof

Bergfriedhof

Titel: Bergfriedhof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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nicht auf seine Konstitution schließen. Er war kein tattriger, verkalkter Greis, sondern ein knallhart kalkulierender Silberrücken, ein hellwacher, abgeklärter Opa aus Granit.
    »Noch mal zum Mitschreiben«, sagte ich. »Wir lassen die Leiche hier liegen, gehen unserer Wege, und bevor wir uns trennen, stellen Sie mir einen Scheck aus.«
    »Richtig.«
    »Und dann?«
    »Den Rest erledigen unsere pflichtbewussten Gesetzeshüter. Wie gesagt, Sie können die Polizei gerne vom heimischen Herd aus anrufen, aber halten Sie mich und meinen Namen außen vor.«
    »Interessant.«
    »Finden Sie? Es ist eine einfache Abmachung, die wir treffen, und für deren Einhaltung zahle ich gerne. Sie haben sich spät am Abend hierher bemüht, Herr Koller. Ein solches Engagement schätze ich und möchte es honorieren.«
    »Und der Mann dort?«
    »Übermorgen werden Sie in der Zeitung lesen können, wie er umgekommen ist.«
    »Was schlagen Sie vor?«
    Er setzte zu einem Niesen an, ließ es jedoch bleiben.
    »Selbstmord«, erklärte er.

2
    Der Einzige, der in meiner Wohnung konstant arbeitet, ist mein Anrufbeantworter. Vom Kühlschrank abgesehen, aber der hat schließlich nichts mit meinem Beruf zu tun. Ich selbst liege auf dem Sofa, mache Besorgungen, starre auf den Fernseher oder denke mir Fälle aus, die nur ich zu lösen imstande bin – nicht unbedingt ein nachhaltiger Beitrag zum deutschen Bruttosozialprodukt. Meinem Anrufbeantworter ist das egal, er wacht stumm auf dem Schreibtisch und kommentiert meinen Lebenswandel nicht. Unliebsame Anrufer hält er hin, sein Band ist immer dann voll, wenn ein flüchtiger Bekannter seine Handynummer hinterlassen möchte, und blinkend verbreitet er gute Laune. Solche Mitarbeiter braucht man als selbstständiger Unternehmer, keine sonst.
    Wozu auch? Den Rest der Arbeit erledige ich schon alleine. Ich bekomme selten Aufträge, und davon nehme ich nur einen Teil an. Manchmal passt mir die Nase eines Kunden nicht, dann schütze ich Überlastung vor, ein andermal ist mir die Sache zu widerwärtig. Dass eine Arbeit meine Kräfte überstiegen hätte, ist mir leider noch nicht passiert. Auf diesen einen spektakulären Auftrag, auf die große persönliche Herausforderung warte ich bislang vergebens. Was passiert schon bei uns in der Provinz? Eine Brieftasche wird vermisst oder ein Schoßhündchen, hier und da verliert ein gestresster Bankdirektor den Überblick über die aktuellen Liebhaber seiner Frau, zweitklassige Firmen lassen das Privatleben drittklassiger Bewerber durchleuchten, bevor sie sie nicht einstellen. Das wars. Keine Erpressungen, keine Entführungen, kein Mord im Halbweltmilieu, geschweige denn eine Halbwelt – und falls doch, rücken sofort die Bullen an, froh, dass sie auch mal was zu tun bekommen.
    Unter die Privatdetektive geriet ich eher zufällig. Einige Jahre arbeitete ich ganz klassisch als Taxifahrer, für einen Ehrenmann aus dem Pfaffengrund, der sich jeden Sonntagmorgen mit Küsschen von seinen Kindern verabschiedete, um sich erst in den Gottesdienst und anschließend in den Puff zu begeben. Seine Angestellten verachtete er, mich ganz besonders, weil ich vorlaut war und meine Nase in Dinge steckte, die mich nichts angingen. Eines Tages aber kam ihm das gerade recht, er bestellte mich in sein Büro und gab mir die Anweisung, seiner Frau hinterherzuschnüffeln. Gegen ein Extrahonorar. Nun, ein Zubrot verdiente ich mir gerne, und wenn sich gleichzeitig ein Brandsatz in das morsche Ehegebäude meines Chefs legen ließ, umso besser. Also stellte ich der Frau nach, zu Fuß und im Taxi, mit einer geliehenen Kamera. Ich erwischte sie tatsächlich mit einem Liebhaber – schwer war es nicht, sie knutschten auf offener Straße –, später mit einem zweiten; einen dritten und vierten erfand ich hinzu. Meinen Chef traf fast der Schlag, als er meinen Bericht hörte. Und erst die Fotos! Natürlich ließ er sich nicht scheiden, der Feigling, er verprügelte seine Frau nicht einmal, wie er es sonst hin und wieder tat, und angeblich reduzierte er sogar seine Puffbesuche. Genau weiß ich das allerdings nicht, denn da hatte ich die Firma bereits verlassen. Mit dem Typen war es einfach nicht auszuhalten.
    Anschließend tat ich eine Zeit lang nichts, ging meiner damaligen Frau auf die Nerven und hasste alle Welt. Bis mir klar wurde, welchen Ertrag das bisschen Schnüffelei gebracht hatte und dass mein natürliches Interesse an meinen Mitmenschen (beziehungsweise an deren Schwächen) ein Pfund war,

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