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Bergfriedhof

Bergfriedhof

Titel: Bergfriedhof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Eltern nicht. Aber warum sie? Wie konnte sie?«
    Natürlich blieb das Holz stumm. Er wollte ein Geheimnis für sich behalten, wenigstens eines. Ich stotterte hilflos herum, besoffen, ernüchtert, angeekelt, angewidert.
    »Sie kamen nach Heidelberg, trafen sie wieder; sie hat Sie erkannt – und hat geschwiegen. Niemand sonst konnte sich nach so langer Zeit noch an Sie erinnern, nur Isolde von Mattern. Und sie hat Sie trotzdem geheiratet. Warum bloß? – Und danach ... Die Ehe mit Ihnen muss die Hölle gewesen sein. Wie eine zweite Vergewaltigung. Daran ist sie zerbrochen. Erst hat sie freiwillig geschwiegen, jetzt kann sie nicht mehr sprechen.«
    Ich dachte an den Hautsack mit seinen Knopfaugen und einer Seele, die unter einem Fingernagel Platz hatte. Schwindelnd beugte ich mich zu dem Alten hin.
    »Bünting«, lallte ich, »Sie sind ja doch ein Verbrecher.«
    Dann erhob ich mich, schwankend wie eine Wetterfahne, steckte eine Flasche Mac ... wie? Macallan für den Nachhauseweg ein und torkelte hinaus. An der Tür kehrte ich noch einmal um und legte etwas vor Bünting auf den Tisch.
    Ich fand, Schafstetts Pistole machte sich gut neben dem Foto der beiden SS-Pimpfe.
     
     

EPILOG
    Am nächsten Morgen werde ich aufwachen mit einer Dünenlandschaft im Kopf. Die Fliegen werden um diese Dünen summen, und auf dem Nachttisch liegt ein Scheck voller unleserlicher Zahlen und Buchstaben. Was für ein Tag! Nicht der vergangene, nicht diese opake Restmasse aus Rachsucht und Alkohol, ein Amoklauf verkorkster Biographien ... nein, der kommende Tag: eine leere, weite Fläche, durchzogen von den Spuren einer gespenstischen Karawane, Akteuren einer verworrenen Geschichte, von der kein Mensch weiß, ob sie wahr ist.
    Kein Mensch.
    Ich werde aus einem Traum aufwachen, der wie Sand durch meinen Schädel rieselt: Es ist Nacht auf Hanjo Büntings Grundstück, die eisernen Zaunspitzen glänzen im Mondlicht, und auf dem Teich treibt der Kadaver eines riesigen, alten Gorillas. Er fault schon, er stinkt vor sich hin, stinkt zum Erbrechen. Fliegeralarm. Eine 12-Jährige, eine 19-Jährige, Mädchen mit den Gesichtern von Greisinnen, spielen am Teich. Mein Auge schwillt an, schmerzt und schwillt und platzt am Ende auf. Ein guter Grund, zu erwachen und mir stöhnend den Kopf zu halten. Alles nur ein Traum. Keine Realität. Vielleicht so daherphantasiert wie diese Geschichte, von der ich nicht weiß, ob sie wahr ist.
    Wahr aber ist, was ich am selben Abend erfahren werde: wie der Vertrauensmann der Darmstädter Chemiebetriebe, Dr. Hanjo Bünting, erschossen in seinem Arbeitszimmer gefunden wurde; dass er keinen Abschiedsbrief hinterließ; dass sich niemand im Hause befand außer seiner gelähmten und verwirrten Frau, nicht einmal das ukrainische Dienstmädchen; dass der Gärtner den Enkel benachrichtigte, nachdem ihm niemand öffnete; dass das Dienstmädchen verschwunden ist, aber als Täterin nicht infrage kommt; dass es sich bei Büntings Tod eindeutig um Selbstmord handelt.
    Niemand, so die Polizei, könne dagegen sagen, woher die Pistole stamme.
    Was werde ich tun? Den Scheck einlösen? Sicher nicht. Welcher Bankangestellte könnte diese Zahlen entziffern? Wer würde nicht misstrauisch werden: ein unleserlicher Millionenscheck, ausgestellt durch einen eben erst Verstorbenen und eingelöst durch einen zwielichtigen Heidelberger mit geschwollenem Auge und fragwürdigem Beruf? Nein, mein Geld muss ich mir auf andere Weise besorgen, bei anderen Fällen, von anderen Personen.
    Ich werde frische Eisbeutel auf mein Auge legen. Vielleicht versteigern sie Büntings Nachlass. Ich wäre an einem Mahagonischreibtisch interessiert, der, wie ich vermute, einen vollständigen Bericht der Ereignisse enthält. Die korrekte Version meiner Geschichte, in einer schwer entschlüsselbaren Geheimschrift. Ein Graphologe muss ran, dann wird man sie lesen können, diese Geschichte. Sie wird dort stehen, in all ihren wunderlichen Einzelheiten ... Und falls nicht? Dann sind dort nur hilflose, unkontrollierte Kratzer im Holz, ausgelöst durch die Zuckungen eines alten Mannes, dessen Agonie schon begonnen hatte.
     
     
    E N D E

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