0782 - Knochenbrut der alten Templer
Sie hatte sich in den Ort hineingeschlichen, um ihre Opfer zu holen.
Nicht alle Menschen waren von der schwarzen Flut erfasst worden, sie hatten sich glücklicherweise in Sicherheit bringen können, aber einen aus ihrem Kreis hatte es erwischt.
Der Mann hieß Alain Ducasse, früher gehörte er zu den Templern, das aber lag längst hinter ihm.
Jetzt war er jemand, der anderen Gesetzen gehorchte, denen des Bösen, der schwarzen Flut und Baphomet, der mächtigen Gestalt dahinter.
Er hatte letztendlich die Templer in Alet-les-Bains in seinen Bann ziehen wollen, was ihm nicht gelungen war, und so hatte die schwarze Flut nur einen Menschen verändern können.
Ducasse drückte sich in eine schmale Gasse. Sie verdiente die Bezeichnung nicht mal, es war nur ein Spalt zwischen zwei Häusern, kaum schulterbreit, und wenn er den Kopf hob, sah er einen schmalen Streifen des dunkelblauen Himmels über sich, der wie eine gemalte Fläche wirkte und nicht einmal den Glanz der Sterne zeigte.
Alain besaß das Messer, und Alain wollte töten. Beinahe wäre es ihm gelungen, aber dieser Chinese, den er in Toulouse abgeholt und nach Alet-les-Bains begleitet hatte, war ihm im letzten Augenblick entkommen, denn es war ihm gelungen, sich auf den Knochen-Sessel zu retten, dessen Magie ihn fortgeschafft hatte. Irgendwohin, möglicherweise in ein Land zwischen den Welten, vielleicht ins Jenseits, vielleicht auch in ein Pandämonium. Ihn hatte Ducasse nicht erwischen können, ebenso wenig wie seine früheren Freunde, die geflohen waren, bevor die schwarze Flut den Ort erreichte.
Sie waren weg, aber sie würden zurückkehren, und darauf wartete Alain Ducasse.
Die böse Flut, die ihn umfasst hielt, hatte ihm einen Auftrag gegeben, der grausam und schlimm war. Er sollte sie alle töten, er war der Mann für das Blutgericht über die Templer, die sich in Baphomets Schatten wie ein Geschwür des Lichts ausbreiteten und ihn schwächten. Das konnte, das durfte auch nicht sein, und so fühlte sich Alain Ducasse als der einsame Rächer.
Er hatte in den letzten beiden Tagen viel nachdenken können und war auch zu einem Entschluss gekommen. Es gab eigentlich nur einen Ort, an den sich seine ehemaligen Freunde hatten zurückziehen können. Nicht sehr weit von Alet-les-Bains entfernt und trotzdem für ihn so gut wie unangreifbar, denn in die Kathedrale der Angst, in diese schmale Schlucht zwischen den Felsen, traute er sich nicht hinein. Dort waren seine Freunde in Sicherheit, denn das silberne Skelett schützte sie vor schlimmen Angriffen. Nur würden sie sich nicht ewig dort aufhalten können.
Irgendwann mussten sie zurückkehren, getrieben von menschlichen Bedürfnissen wie Hunger und auch Durst.
Dann würde er sie empfangen! Ducasse lächelte, als er daran dachte. Er hob die alte Klinge an und legte die Breitseite gegen seine Lippen, weil er die Kälte spüren wollte.
Kalt wie der Tod! Seine Augen funkelten, die Unruhe nahm zu. Es geschah immer dann, wenn er an den Tod dachte, der für ihn seinen Schrecken verloren hatte. Er würde den Tod bringen, denn der Tod war sein Freund.
In den letzten beiden Tagen hatte er sich verändert. Er war hagerer geworden, seine Augen lagen tiefer in den Höhlen als sonst und strahlten einen düsteren Blick ab. Die Lippen zeigten kein Lächeln mehr, die wirkten wie graue, breite Striche, die aufeinander lagen.
Auch seine Haut hatte den gesunden Farbton verloren. Sie wirkte wie die eines alten Mannes, doch alt fühlte sich Alain Ducasse auf keinen Fall. Im Gegenteil, er war bereit, blitzschnell einzugreifen und zuzuschlagen, wenn sich die Gelegenheit ergab.
Der Tag war sein Feind, die Nacht war sein Freund. Da schlich er durch den Ort, schaute durch die Fenster in die hellen Wohnungen hinein. Er sah die Menschen – Männer, Frauen und Kinder.
Manchmal zuckte es in ihm, und dann zuckte das Messer stets mit.
Er hielt sich zurück. Bisher hatte er die Klinge in keinen Körper versengt, weil er noch an seinen Auftrag dachte. Aber der Widerstand wurde schwächer. Irgendwann – möglicherweise schon in dieser Nacht oder spätestens morgen – musste er der schwarzen Flut beweisen, dass sie einen würdigen Diener gefunden hatte.
Die Flut selbst war nicht mehr zu sehen. Sie hatte ihren Weg fortgesetzt, irgendwohin zu neuen Zielen, über die sich Ducasse keine Gedanken machte. Er lebte in der Gegenwart, er lebte in dieser Nacht und klemmte in seinem Versteck fest.
Die Bewohner von Alet-les-Bains wussten, dass
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