Bergisch Samba
herausgefunden hatte, wo die Kleidungsstücke des Kindes her waren. Ob sich vielleicht doch jemand gemeldet hatte, der das Kind in der Zeitung erkannt hatte.
Ich redete mich so in Rage, dass ich nicht bemerkte, wie sich hinter mir plötzlich jemand näherte.
Ich wurde erst darauf aufmerksam, als Mölich seinen Blick hob und jemandem zunickte. »Na, was haben wir denn da für ein Problem?«, rief eine tiefe Stimme, und gleichzeitig wurde ich an den Achseln gepackt und hochgehoben.
Es waren zwei Polizisten, die mich mit eisernem Griff in Richtung Aufzug zerrten und nach unten brachten.
»Das hat der Wolfgang gar nicht gern, wenn man in seinem Büro Randale macht«, erklärte der eine.
»Randale können wir hier nicht gebrauchen«, legte der andere nach.
Unten angekommen, drängten sie mich durch die Glastür.
Die Blicke der Bullen im Rücken spürend, ging ich so locker wie möglich die Treppe hinunter. Im Auto rief ich Krüger an. Es gelang mir, dem Wuppertaler Hauptkommissar gegenüber ruhig zu bleiben.
»Der Mann ist im Recht«, sagte Krüger. »Dagegen kann man nichts machen. Ich gebe ja zu, dass er das alles ein bisschen scharf auslegt, aber so ist er nun mal.«
»Ich habe gar nicht gewusst, dass manche Beamte der Mordkommission so feine Pinkel sind«, sagte ich verächtlich.
»Mölich ist nicht bei der Mordkommission. Er ist im Verkehrskommissariat. Schließlich ist die Sache mit dem Kind zunächst mal nichts weiter als ein Verkehrsunfall.«
»Aha«, brummte ich. »So sieht man das also bei der Polizei.«
»Mensch, Rott! Ich verstehe ja, dass Sie sich aufregen. Aber der Mann kann schließlich anziehen, was er will. Und dass er sich an die Vorschriften hält, können Sie ihm nicht zum Vorwurf machen.«
»Herr Krüger, tun Sie mir einen Gefallen.«
»O nein«, rief er. »Fragen Sie mich jetzt nicht, ob ich Ihnen die Akten besorgen kann. Darauf lasse ich mich nicht ein.«
»Dann was anderes. Ich muss wissen, ob der Fall geklärt ist oder nicht. Ob es neue Erkenntnisse gibt. Das muss doch zu machen sein. Und bitte - ich brauche die Information schnell.«
Krüger seufzte. »Und das so kurz vor Feierabend. Hm - lassen Sie mich mal nachdenken. Soweit ich weiß, ist der Fall nicht abgeschlossen. Das sagte ich Ihnen ja schon. Ich werde mich aber drum kümmern. Ich ruf Sie dann morgen an.«
»Geht's nicht vielleicht nachher?«
»Mensch, Rott, Sie machen mich wahnsinnig. Also gut. Ich melde mich.«
»Danke.«
Ich fuhr zurück nach Wuppertal; in meinem Büro blinkte der Anrufbeantworter. Ich drückte den Wiedergabeknopf. Es war Krüger, der eine Nachricht hinterlassen hatte. Flott, dachte ich. Und schlau. Offenbar hatte er es absichtlich nicht auf dem Handy versucht, damit er mich nicht persönlich am Hörer hatte und ich ihn nicht um weitere Gefallen bitten konnte.
»Also, Rott: Der Fall ist nicht abgeschlossen. Der weiße Transporter ist nicht identifiziert worden. Es ist auch nicht klar, ob der Fahrer des Wagens etwas damit zu tun hat. Das Kind hat ein junger Mann gefunden, der von der Kneipe ›Luzifer‹ aus auf dem Heimweg war. Den Namen des Zeugen kann ich Ihnen nicht sagen. Weitere Infos gibt's nicht. Ich sage Ihnen eins: Ich habe keine Lust, mir von den Solingern ein blaues Auge zu holen. Und ich kann Ihnen nur raten: Sehen Sie sich vor! Überschreiten Sie nicht Ihre Kompetenzen. Sie haben sowieso keine Möglichkeiten, weitere Hinweise zu finden. Wir haben alles unternommen. Die Sache stand in der Zeitung, und die Öffentlichkeit hat regen Anteil genommen. Ich sehe ja ein, dass das eine sehr traurige Sache ist, aber man muss der Realität ins Gesicht sehen. Und wenn ich Sie dabei erwische, dass Sie -«
Das Gerät gab einen ausgedehnten Piepton von sich. Ich hatte es so eingestellt, dass jeder Anrufer nur dreißig Sekunden Redezeit zur Verfügung hatte.
Ich löschte die Nachricht, und während der AB noch die Kassette hin und her spulte, bekam ich Jutta an die Strippe. Im Hintergrund ertönte irgendwelches Geklimper; es klang nach klassischer Klaviermusik.
»Remi«, rief sie, als ich mich gemeldet hatte. »Mensch, lange nichts mehr von dir gehört. Warte mal einen Moment, ich mach die Musik leiser.« Das Geklimper verstummte.
»Kein Wunder, dass man sich so selten sieht«, sagte ich. »Warst du nicht wieder auf ausgedehnten Reisen?«
»Nur ein bisschen. Man muss doch auch mal was anderes sehen.«
Ich seufzte. Jutta und ihre Understatements. »Sei ehrlich. Die wie vielte Weltreise war das
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