Bergisch Samba
buntem Leben erwacht. Die Neonreklamen leuchteten, und das rote Teufelchen mit den Flammenhaaren strahlte in die Nacht. Das Rollo war heraufgezogen, und als ich den Golf gegenüber auf dem Parkplatz abstellte, kam gerade ein Pulk junger Leute aus dem Lokal. Innen war durch die geöffnete Tür ebenfalls viel buntes Licht zu sehen.
Ich schloss den Wagen ab und lief hinüber. Die typische Kneipenatmosphäre aus Qualm, Biergeruch und einer Geräuschwolke aus Musik und dem Stimmengewirr der Gäste empfing mich.
Die Kneipe wirkte, als hätte der Besitzer früher mal einen Antiquitätenladen gehabt und sei nun auf die Gastronomie umgestiegen. Allerlei altmodische Dekorationselemente standen herum: auf der Bar eine weiße Marmorbüste, die wohl Cäsar darstellen sollte, eine der Wände war mit alten Schallplatten bedeckt, darunter stand eine antike Nähmaschine mit Pedal.
Das Publikum, das hier verkehrte, war deutlich jünger als ich, und auch der schlaksige, mit schwarzen Koteletten verzierte Barkeeper war höchstens Anfang zwanzig. Die Leute saßen in Grüppchen an den Tischen, die meisten der hohen Stühle vor dem Tresen waren leer. Ich setzte mich an die Bar und machte dem Jungen ein Zeichen. Er war gerade noch mit Bierzapfen beschäftigt, gab mir aber nickend zu verstehen, dass er mich gesehen hatte.
Ich sah mir derweil die Karte an, die als Fotokopie auslag. Der Mensch, dem die Kneipe gehörte, hatte nicht nur Sinn für Altertümchen, sondern auch Fantasie. Das Thema Luzifer setzte sich in den Angeboten fort. Da gab es ein »Truthahnfilet Transsilvanien«, ein »Rindersteak Donnerwetter« und einen Grillteller »Jack the Ripper«. Appetitlich, dachte ich.
»Wollen Sie was essen?«, fragte mich der junge Typ und sah mich auffordernd an. Ich entdeckte auf dem Faltblatt noch einen Hamburger »Onkel Beelzebub« und ein Schweineschnitzel »Mephisto« und schüttelte den Kopf.
»Und was soll's dann zum Trinken sein?«
»Ein Pils.«
»Welches darf's denn sein?«
Ich erinnerte mich an die Reklametafeln, die ich draußen gesehen hatte. »Versuchen wir's mal mit Brinkhoffs.« Der Junge nickte und wollte gehen. »Eigentlich bin ich hier, weil ich eine Auskunft brauche.«
» Nämlich?«
Sein Blick wurde misstrauisch. Vielleicht dachte er, ich wollte ihm einen Streich spielen oder so was. Wer den ganzen Abend Bestellungen von teuflischen Mahlzeiten entgegennahm, der musste mit so was rechnen. Mir wurde klar, dass ich in so einer Umgebung so seriös wie möglich auftreten musste.
Zum dritten Mal kramte ich heute meine Lizenz hervor. »Ich bin auf der Suche nach einem Zeugen.«
Er nahm das Kärtchen und musterte es interessiert. Der misstrauische Ausdruck blieb. Unterdessen redete ich weiter.
»Vor einem guten halben Jahr wurde in dieser Straße ein Kind überfahren. Ein Gast aus dieser Kneipe hat es gefunden. Ich möchte herausfinden, wer das war.«
Als ich nach der Lizenz gesucht hatte, waren meine Finger an meine Zigarettenschachtel gestoßen. Ich holte eine Camel hervor und zündete sie an.
Der Junge hinter der Bar hatte die Prüfung meines Ausweises beendet. Wie befürchtet hatte er mir gar nicht zugehört.
»Ist das ein Witz?«
»Wie kommen Sie darauf?«
»Remigius. So heißt doch kein Mensch.«
»Ich schon.«
Er verzog das Gesicht. »Ich hab keine Ahnung. Was wollen Sie noch mal wissen?«
Ich wiederholte mein Anliegen.
»Wann soll das gewesen sein?«
Ich atmete etwas Rauch aus. »Im April.«
Er schüttelte den Kopf. »Da habe ich hier noch nicht gearbeitet.«
Irgendwo auf der anderen Seite der Theke rief jemand und hob ein leeres Glas in die Höhe. Der Junge ging hinüber und kümmerte sich um den Gast. Kurz darauf kam er zurück und brachte das Bier mit.
»Und? Können Sie sich an ihn erinnern?«
»Ich kann Ihnen nicht helfen.«
»Es geht ja auch nicht unbedingt um Sie.«
»Wieso?«
Ich setzte zur Erklärung an. »Ich gehe mal davon aus, dass dieses Lokal viele Stammgäste hat. Möglicherweise ist heute Abend jemand hier, der auch vor sieben Monaten dabei war. Als das Kind gefunden wurde.«
»Ich weiß nichts von einem Kind.«
»Zeigen Sie mir einfach ein paar Stammgäste, mit denen ich reden kann«, fasste ich meine Bitte zusammen und trank. Das Ergebnis meines Pilsexperiments war deutlich: Ich würde bei Kölsch bleiben.
Mein Blick fiel auf einen alten Kinderwagen, der an der Decke hing. Weiter unten entdeckte ich eine alte Modelleisenbahn, die sich auf einem Sockel an der Wand
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