Bergisch Samba
endete. Alles war feucht, die Steine voller Moos. Ich sah nach oben und erkannte ein breites Fenster, von dem aus Mölich die Aussicht auf den Fluss bewundern konnte.
Ich würde mich hoffnungslos schmutzig machen, aber das war mir egal. Ich suchte auf dem Haufen Unrat mit dem Fuß Halt, und als ich mich streckte, bekam ich die Mauerkrone zu fassen. Dort oben hatte es wohl mal einen Drahtverhau gegeben, der jedoch längst abgerostet war. Nur die Befestigungsstangen aus Metall steckten noch in der Wand. Ich konnte mich an ihnen hochziehen und saß schließlich auf der Mauer.
Mir wurde leicht schwindelig, als ich das Flussbett zu Gesicht bekam. Auf der Grundstücksseite war die Mauer keine drei Meter hoch, auf der Flussseite ging es dahinter viel tiefer hinunter. Außerdem konnte ich von der anderen Seite der Wupper aus wunderbar gesehen werden.
Ich durfte keine Zeit verlieren. Ich zog meine Pistole und beugte mich hinüber zu dem Fenster. Einen Moment dachte ich noch darüber nach, was ich tun würde, wenn sich jemand in Mölichs Wohnung aufhielt. Vielleicht hatte er ja eine Freundin. Doch dann ging ich das Risiko ein und zertrümmerte mit einem einzigen harten Schlag des Pistolengriffs das Glas. Sekunden später war ich in der Wohnung.
Der Raum war tatsächlich riesig. Vielleicht war das früher mal eine Lagerhalle gewesen, oder man hatte irgendetwas darin produziert. Jetzt hatte Mölich ein Wohnzimmer daraus gemacht. Ein paar Sessel standen herum. Mitten im Raum befand sich ein Fernseher mit Videorekorder - direkt auf dem Waschbetonboden. Hatte es bisher noch einen Rest Zweifel gegeben, dass Mölich der Mann war, der das Haus der Steuerberaterin bewohnt hatte und ein Brasilienfan war, dann waren sie jetzt endgültig zerstreut. Auf der weiß gestrichenen Wand hingen sauber gerahmte Plakate mit brasilianischen Motiven: der berühmte Blick auf Rio de Janeiro mit dem Zuckerhut. Nackte milchkaffeebraune Mädchen in knallbuntem Federschmuck, der natürlich nichts verhüllte.
An der fensterlosen Längsseite des Raumes reihten sich mächtige Metallregale, die zur mindestens vier Meter hohen Decke reichten und in denen sich Bücher, CDs und Videos drängten. Eines davon hatte Mölich offenbar zur brasilianischen Bar gemacht und mit dem ganzen Programm ausgestattet: Da standen milchiger Batida de Coco, Caipirinha und klarer Cachaca - der Zuckerrohrschnaps, den ich aus Juttas Bar kannte. Daneben waren die passenden Gläser aufgereiht.
Ich überflog die Bücher und Videos. Mölich hatte einen ausgefallenen erotischen Geschmack. Mir fielen beim Durchblättern ein paar Hefte in die Hand, die offenbar direkt aus Brasilien importiert waren. Harte Pornos mit penisbewaffneten Frauen. Einige stammten auch aus Deutschland: »Die Welt der She-Males«. Die Videos waren vom selben Kaliber.
Gut, dachte ich. Mölich hat was mit Brasilien zu tun. Aber wo war die eindeutige Verbindung zu Ratnik, wo zu den beiden Dückraths?
Plötzlich hörte ich ein Geräusch. Es war so etwas wie ein Knacken, und es schien aus dem Zimmer nebenan zu kommen. Ich machte, dass ich wieder zu dem Fenster kam, bereit zur Flucht. Ich hielt inne, lauschte. Nichts war mehr zu hören. Ganz ruhig, sagte ich mir. Hier ist niemand. Und Mölich ist jetzt noch nicht mal in Solingen angekommen - geschweige denn hat er gemerkt, dass das Treffen mit dem ominösen Zeugen ein Trick war …
Ich atmete ein paarmal durch, ging zur Tür, die in den nächsten Raum führte, und öffnete sie.
Ein Schlafzimmer. Als Durchgangsraum angelegt. Ich durchstöberte einen Schrank, fand Mölichs Anzüge und eine ganze Batterie Schuhe, bis ich auf ein paar Aktenordner stieß. Ich öffnete sie, und sofort lächelten mich reihenweise Mädchen an. Manche dunkelhäutig, manche hell, manche mit schwarzen Haaren, andere mit blonden, die wahrscheinlich gefärbt waren. Darunter standen die Namen: Paola, Victoria, Luisa, auch Maria - sogar mehrmals. Es waren Farbausdrucke aus dem Internet, darüber stand der Name einer Firma: »Brasilian Dream Partnervermittlung«. Ich blätterte durch die Unterlagen, entzifferte Anträge und Kopien von Briefen.
Mölich hatte 1998 über das Heiratsinstitut eine Brasilianerin namens Maria Garcia nach Deutschland kommen lassen.
Ich klappte den Ordner zu und öffnete die nächste Tür. Ich stand in einer Küche - fast so groß wie das Wohnzimmer, in das ich eingebrochen war. Interessante Zimmeranordnung, dachte ich. Der Kochplatz befand sich mittendrin,
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