Bergrichters Erdenwallen
heulend flüchteten die Mädels voraus und hinauf zur Mutter, um deren Schutz zu erflehen. Ehrenstraßer unterdrückte die ihm auf der Zunge liegende Bemerkung über solche Erziehungsresultate, und schritt mit Emmy die Treppe hinauf.
Wie eine Henne ihre Küchlein, so beschützte Frau Bianca ihre Töchterchen und hielt sie umschlungen, während Frau Zuccati sogleich den Kampf eröffnete durch die Mitteilung in gebrochenem Deutsch, daß sie gekommen sei, den unhaltbaren „skandalösen“ Zuständen ein Ende zu machen.
Der Ton dieser Ankündigung veranlaßte den Richter zur ironischen Erwiderung: „Wie's beliebt Frau Zuccati!“
„Come? Was wollen Sie?“
„Zunächst begrüße ich Sie in meinem Hause! Sind Sie zu Besuch Ihrer Tochter, meiner Frau, gekommen, heiße ich Sie willkommen! Wollen Sie aber versuchen, Zwietracht in mein Eheleben zu bringen, so diene Ihnen zur Kenntnis, daß ich nicht gesonnen und Mann genug bin, um jedem derartigen Versuche ein rasches Ende zu machen!“
„Molto bene! Meine Tochter haben mir geschrieben alles! Ich wissen alles und werden machen der misericordia eine finita! Ich Ihnen sagen, daß filia mia nicht mehr bleiben in loco! Ich nehmen meine Tochter und ihre Kinder mit —“
„Was wollen Sie?“ rief erregt Ehrenstraßer.
Bianca erhob sich und mit theatralischer Emphase rauschte sie auf den Gatten zu. „Si! Meine Mutter sprechen die verità! Ich werde gehen mit ihr! Ich habe das Leben hier satt!“
„Bianca!“ rief Ehrenstraßer in schmerzlicher Überraschung.
„Si! Gehen oder du kompetierst um Versetzung an ein Giudizio distretturale im Trento!“
Frau Zuccati unterstützte dieses Ultimatum mit vollster Lungenkraft und suchte die Forderung zu begründen durch den Hinweis, daß Bianca gemäß ihrer Nationalität ein Recht besitze, in einem Lande zu leben, dessen Sprache die ihrige sei.
„Ah! Der Nationalitätenstreit nun gar in die Ehe verpflanzt! Es wird ja immer schöner! Warum hat denn Bianca meine Werbung um ihre Hand nicht gleich in der ersten Stunde aus Nationalitätsgründen abgelehnt?“
Frau Zuccati sprudelte heraus. „Weil sie wollte kommen unter Hauben!“
„Sic! Also erstickte dieses Streben das Nationalitätsgefühl! Bravo! Ich bin Ihnen dankbar für dieses Geständnis! Aber die Ehe ischt ein festes Band! Den Wohnsitz zu ändern steht nicht in meiner Macht, ganz abgesehen davon, daß ich keine Lust verspüre, als deutscher Beamter im Welschland zu domizilieren. Auch beherrsche ich die italienische Sprache nicht, um ein Gericht in diesem Idiom zu leiten! Übrigens ischt alles Gerede hierüber völlig zwecklos! Bianca ischt mein Eheweib, hat am Altar gelobt, in Leid und Freud' mit mir durchs Leben zu gehen, ihr Platz ischt an meiner Seite und dabei bleibt es!“
„No, no!“ zeterte die Richterin. „Ich bleibe nicht mehr in diesem Nest! Ich werde gehen! Wenn schon nicht nach dem Süden, so gehe ich mit den Kindern in größere Stadt! Ich wollen nicht versauern und verbauern in loco!“
Frau Zuccati wollte wieder eine Rede loslassen, da machte Ehrenstraßer der Scene ein Ende durch die Eröffnung, daß er kraft seiner Würde und Macht als Familienoberhaupt sich jede Einmischung verbitte und hiermit Frau Zuccati ernstlich auffordere, binnen 24 Stunden das Haus zu verlassen.
Ehrenstraßer ging und ließ die welschen Damen in Verblüffung zurück.
XVIII.
Die trüben Gedanken Ehrenstraßers wurden zurückgedrängt durch einen Besuch in der Kanzlei. Ein Bauer, namens Maldoner, dessen Gehöft in nächster Nähe des Städtchens liegt, stolperte unbeholfen und verlegen in die Amtsstube, drehte den Hut im Kreise und blieb vor dem Richter stehen.
„Nun, Maldoner, was bringt Ihr oder was wollt Ihr von mir?“
„Herr Stadtrichter! Ich hätt' eine große Bitt'!“
„So sprecht nur frei von der Leber weg!“
„Schon! Aber es ischt eine heikle Sach'! Wissen S', Herr Stadtrichter: Ich hunn öppas (etwas) Ruben (Rüben) an'baut, schöne Möhren sind's worden, aber fechsen kann ich selle nit!“
„Warum denn nicht?“
„Gleich nit zum glauben! Selle Möhren werden alleweil weniger und decht hun ich selle nit geholt!“
„Ihr meint also, daß sie Euch gestohlen werden?“
„Könnt' schon sein! Ich hätt's auch nit gedenkt, daß es möglich wär' vom Nachbar!“
„Wer ischt Euer Nachbar?“
„Der Widschwenter Michel war' es, wenn Euer Gnaden nix dagegen hätten!“
„Ihr glaubt also, dieser Widschwenter stiehlt Eure Rüben! Wenn ich nicht
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